49:1    Der Segen Jakobs: 49,1-27

Darauf rief Jakob seine Soehne und sprach: Versammelt euch, dann sage
ich euch an, was euch begegnet in kuenftigen Tagen.
[1-27: Man nennt diesen Text "Jakob-Segen"; er enthaelt aber nicht
nur Segenssprueche, sondern auch Flueche und Feststellungen ueber
einzelne Staemme. Der Wortlaut der Sprueche setzt bereits das Schicksal
der Staemme voraus. Die Sprache dieses Textes in H ist sehr knapp und
verwendet viele schwer verstaendliche Anspielungen.]

49:2    Kommt zusammen, ihr Soehne Jakobs, und hoert, auf Israel hoert, auf
euren Vater!

49:3    Ruben, mein Erster, du meine Staerke, meiner Zeugungskraft Erstling,
uebermuetig an Stolz, uebermuetig an Kraft,
[(3-27) Dtn 33,6-25]

49:4    brodelnd wie Wasser. Der erste sollst du nicht bleiben. Du bestiegst
ja das Bett deines Vaters; geschaendet hast du damals mein Lager.
[35,22]
[Der erste sollst du nicht bleiben: Er verliert das
Erstgeburtsrecht. Andere Uebersetzungsmoeglichkeit: Den Uebermut daempfe!
(vgl. V. 3).]

49:5    Simeon und Levi, die Brueder, Werkzeuge der Gewalt sind ihre Messer.
[Die Messer sind vielleicht die Beschneidungsmesser, die die
Sichemiten wehrlos gemacht haben, oder die Schwerter, mit denen die
Jakob-Soehne die Sichemiten niedergemetzelt haben (vgl. 34,13-26).
(Die Leviten bekamen bei der Rueckkehr aus Aegypten keinen Landbesitz,
sondern lebten in 6 Staedten, die gesetzlich geregelte Rueckzugsgebiete von
Moerdern und Totschlaegern wurden, die der Blutrache entgehen wollten.
B. Dalkmann)]

49:6    Zu ihrem Kreis mag ich nicht gehoeren, mit ihrer Rotte vereinige sich
nicht mein Herz. Denn in ihrem Zorn brachten sie Maenner um,
mutwillig laehmten sie Stiere.

49:7    Verflucht ihr Zorn, da er so heftig, verflucht ihr Grimm, da er so
roh. Ich teile sie unter Jakob auf, ich zerstreue sie unter Israel.
[Die Staemme Simeon und Levi sind spaeter in anderen Staemmen
aufgegangen.]

49:8    Juda, dir jubeln die Brueder zu, deine Hand hast du am Genick deiner
Feinde. Deines Vaters Soehne fallen vor dir nieder.

49:9    Ein junger Loewe ist Juda. Vom Raub, mein Sohn, wurdest du gross. Er
kauert, liegt da wie ein Loewe, wie eine Loewin. Wer wagt, sie zu
scheuchen?

49:10   Nie weicht von Juda das Zepter, der Herrscherstab von seinen Fuessen,
bis der kommt, dem er gehoert, dem der Gehorsam der Voelker gebuehrt.
[Gemeint ist vielleicht David, der den Herrscherstab uebernimmt. Die
Uebersetzung ist unsicher. (Zur Zeit Jesu gab es niemanden auf dem Thron
Davids aus dem Stamm Juda. Der neue Herrscher ist Jesus aus dem Stamm
Josefs bzw. seines Sohnes Efraims bzw. der Stadt Bethlehem. B. Dalkmann)]

49:11   Er bindet am Weinstock sein Reittier fest, seinen Esel am Rebstock.
Er waescht in Wein sein Kleid, in Traubenblut sein Gewand.

49:12   Feurig von Wein funkeln die Augen, seine Zaehne sind weisser als
Milch.

49:13   Sebulon wohnt nahe dem Strand, am Gestade der Schiffe, mit seinem
Ruecken nach Sidon hin.

49:14   Issachar ist ein knochiger Esel, lagernd in seinem Pferch.

49:15   Er sieht, wie die Ruhe so schoen ist und wie so freundlich das Land;
da neigt er die Schulter als Traeger und wird zum fronenden Knecht.

49:16   Dan schafft Recht seinem Volk wie nur einer von Israels Staemmen.
[Wortspiel mit dem Namen Dan, der auch "der, der Recht spricht"
bedeutet (vgl. 30,6).]

49:17   Zur Schlange am Weg wird Dan, zur zischelnden Natter am Pfad. Sie
beisst das Pferd in die Fesseln, sein Reiter stuerzt ruecklings herab.

49:18   Auf deine Hilfe harre ich, Herr.

49:19   Gad, ins Gedraenge draengen sie ihn, doch er bedraengt ihre Ferse.
[Wortspiel mit dem Namen Gad und dem Zeitwort "draengen" (gadad);
anders 30,11.]

49:20   Ascher, fett ist sein Brot. Koenigskost liefert er.

49:21   Naftali, die fluechtige Hirschkuh, versteht sich auf gefaellige Rede.

49:22   Ein junger Fruchtbaum ist Josef, ein junger Fruchtbaum am Quell, ein
junger Zweig an der Mauer.

49:23   Man erbittert und reizt ihn, die Schuetzen stellen ihm nach.

49:24   Sein Bogen sitzt sicher; gelenkig sind Arme und Haende. Das kommt vom
Starken Jakobs, von dort kommt der Hirt, Israels Fels,
[Der Sinn des letzten Versteils ist in H unklar.]

49:25   vom Gott deines Vaters, er wird dir helfen. Gott, der Allmaechtige,
er wird dich segnen mit Segen des Himmels von droben, mit Segen tief
lagernder Urflut, mit Segen von Brust und Schoss.

49:26   Deines Vaters Segen uebertrifft den Segen der uralten Berge, den man
von den ewigen Huegeln ersehnt. Er komme auf Josefs Haupt, auf das
Haupt des Geweihten der Brueder.

49:27   Benjamin ist ein reissender Wolf: Am Morgen frisst er die Beute, am
Abend teilt er den Fang.
[Eine Anspielung auf den Benjaminiter Saul, den 1. Koenig des Volkes Israel,
der aus Israel ein Koenigreich machte. B. Dalkmann]

49:28   Jakobs Tod und Begraebnis: 49,28 - 50,13

Sie alle sind die zwoelf Staemme Israels, und das war es, was ihr
Vater zu ihnen sagte, als er sie segnete. Einen jeden bedachte er
mit dem Segen, der ihm zukam.

49:29   Er trug ihnen ferner auf und sagte zu ihnen: Ich werde mit meinen
Vorfahren vereint. Begrabt mich bei meinen Vaetern in der Hoehle auf
dem Grundstueck des Hetiters Efron,

49:30   in der Hoehle auf dem Grundstueck von Machpela bei Mamre in Kanaan.
[Das Grundstueck hatte Abraham vom Hetiter Efron als eigene Grabstaette
gekauft.]

49:31   Dort hat man Abraham und seine Frau Sara begraben; dort hat man
Isaak und seine Frau Rebekka begraben; dort habe ich Lea begraben,

49:32   auf dem Grundstueck, das samt der Hoehle darauf von den Hetitern in
unseren Besitz uebergegangen ist.
[Hebron: 23,16-18]

49:33   Jakob beendete den Auftrag an seine Soehne und zog seine Fuesse auf das
Bett zurueck. Dann verschied er und wurde mit seinen Vorfahren
vereint.