4:1    Kain und Abel: 4,1-16

Adam erkannte Eva, seine Frau; sie wurde schwanger und gebar Kain.
Da sagte sie: Ich habe einen Mann vom Herrn erworben.
[Die Worte Evas sind ein Wortspiel mit dem Namen Kain, der im
Hebraeischen an das Zeitwort fuer "erwerben" (kanah) anklingt.]

4:2    Sie gebar ein zweites Mal, naemlich Abel, seinen Bruder. Abel wurde
Schafhirt und Kain Ackerbauer.
[Abel bedeutet Windhauch, erinnert also an die Kuerze und
Hinfaelligkeit des Lebens (vgl. Koh 1,2).]

4:3    Nach einiger Zeit brachte Kain dem Herrn ein Opfer von den Fruechten
des Feldes dar;

4:4    auch Abel brachte eines dar von den Erstlingen seiner Herde und von
ihrem Fett. Der Herr schaute auf Abel und sein Opfer,
[von ihrem Fett, andere Uebersetzungsmoeglichkeit: von ihren
fettesten Tieren.]

4:5    aber auf Kain und sein Opfer schaute er nicht. Da ueberlief es Kain
ganz heiss, und sein Blick senkte sich.

4:6    Der Herr sprach zu Kain: Warum ueberlaeuft es dich heiss, und warum
senkt sich dein Blick?

4:7    Nicht wahr, wenn du recht tust, darfst du aufblicken; wenn du nicht
recht tust, lauert an der Tuer die Suende als Daemon. Auf dich hat er
es abgesehen, doch du werde Herr ueber ihn!
[als Daemon: sinngemaess ergaenzt; in H steht trotz des weiblichen
Wortes fuer Suende eine maennliche Zeitwortform, die an einen
Unheilsdaemon erinnert. Deswegen wird der ganze Satz mit maennlichen
Formen gebildet. Er will sagen: Nicht den Daemon des Mythus sollst du
fuerchten, sondern die Suende, die der gefaehrlichste Daemon ist.]

4:8    Hierauf sagte Kain zu seinem Bruder Abel: Gehen wir aufs Feld! Als
sie auf dem Feld waren, griff Kain seinen Bruder Abel an und
erschlug ihn.
[Gehen wir aufs Feld!: nach den alten Uebersetzungen ergaenzt.]

4:9    Da sprach der Herr zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Er entgegnete:
Ich weiss es nicht. Bin ich der Hueter meines Bruders?

4:10   Der Herr sprach: Was hast du getan? Das Blut deines Bruders schreit
zu mir vom Ackerboden.

4:11   So bist du verflucht, verbannt vom Ackerboden, der seinen Mund
aufgesperrt hat, um aus deiner Hand das Blut deines Bruders
aufzunehmen.

4:12   Wenn du den Ackerboden bestellst, wird er dir keinen Ertrag mehr
bringen. Rastlos und ruhelos wirst du auf der Erde sein.

4:13   Kain antwortete dem Herrn: Zu gross ist meine Schuld, als dass ich sie
tragen koennte.

4:14   Du hast mich heute vom Ackerland verjagt, und ich muss mich vor
deinem Angesicht verbergen; rastlos und ruhelos werde ich auf der
Erde sein, und wer mich findet, wird mich erschlagen.

4:15   Der Herr aber sprach zu ihm: Darum soll jeder, der Kain erschlaegt,
siebenfacher Rache verfallen. Darauf machte der Herr dem Kain ein
Zeichen, damit ihn keiner erschlage, der ihn finde.

4:16   Dann ging Kain vom Herrn weg und liess sich im Land Nod nieder,
oestlich von Eden.
[Wortspiel mit Nod und dem Wort fuer "ruhelos" (nad).]

4:17   Die Nachkommen Kains: 4,17-24

Kain erkannte seine Frau; sie wurde schwanger und gebar Henoch. Kain
wurde Gruender einer Stadt und benannte sie nach seinem Sohn Henoch.
[Zur Frau Kains und zur Stadtgruendung, die viele andere Menschen
voraussetzt, ist zu bedenken, dass die Erzaehlungen von Gen in vielen
Namen handelnder Personen Typen fuer Menschengruppen (Voelker,
Berufsgruppen, Einwohner von Staedten) sehen und dass "zeugen" und
"Sohn" nicht immer die natuerliche Abstammung, sondern auch die
Verwandtschaft ueber mehrere Generationen hinweg zum Ausdruck bringt.]

4:18   Dem Henoch wurde Irad geboren; Irad zeugte Mehujael, Mehujael zeugte
Metuschael, und Metuschael zeugte Lamech.

4:19   Lamech nahm sich zwei Frauen; die eine hiess Ada, die andere Zilla.

4:20   Ada gebar Jabal; er wurde der Stammvater derer, die in Zelten und
beim Vieh wohnen.

4:21   Sein Bruder hiess Jubal; er wurde der Stammvater aller Zither- und
Floetenspieler.

4:22   Auch Zilla gebar, und zwar Tubal-Kajin, der die Geraete aller Erz-
und Eisenhandwerker schmiedete. Die Schwester Tubal-Kajins war
Naama.

4:23   Lamech sagte zu seinen Frauen: Ada und Zilla, hoert auf meine Stimme,
ihr Frauen Lamechs, lauscht meiner Rede! Ja, einen Mann erschlage
ich fuer eine Wunde und einen Knaben fuer eine Strieme.

4:24   Wird Kain siebenfach geraecht, dann Lamech siebenundsiebzigfach.

4:25   Die Nachkommen Sets: 4,25 - 5,32

Adam erkannte noch einmal seine Frau. Sie gebar einen Sohn und
nannte ihn Set (Setzling); denn sie sagte: Gott setzte mir anderen
Nachwuchs ein fuer Abel, weil ihn Kain erschlug.
[Bis hierher war es im einzelnen fraglich, ob man adam mit "Mensch"
uebersetzen oder es als Eigenname Adam wiedergeben soll. Erst von hier
ab ist Adam sicher Eigenname. - Die Worte Evas erklaeren sich als
Wortspiel mit dem Namen Set, der an das hebraeische Zeitwort schat
(einsetzen) erinnert.]

4:26   Auch dem Set wurde ein Sohn geboren, und er nannte ihn Enosch.
Damals begann man den Namen des HERRN anzurufen.
[Auch der Name Enosch bedeutet "Mensch". - Hier und in den meisten
Stellen, wo in dieser Uebersetzung "der Herr" fuer Gott steht,
gebraucht H den Eigennamen Jahwe. Die Uebersetzer folgen der Tradition
der Juden und Christen, den Eigennamen Jahwe, den die Juden wegen Ex
20,7 = Dtn 5,11 nicht auszusprechen wagten, mit "der Herr" zu
umschreiben. (Er wird hier zur Unterscheidung vom Wort Herr gross geschrieben
als HERR. B. Dalkmann.) Nur wo es unumgaenglich schien, wurde der Eigenname
belassen (vgl. Ex 3,15).]