2:1    So wurden Himmel und Erde vollendet und ihr ganzes Gefuege.

2:2    Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er geschaffen hatte,
und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk vollbracht
hatte.
[Ex 20,8-11]

2:3    Und Gott segnete den siebten Tag und erklaerte ihn fuer heilig; denn
an ihm ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk der Schoepfung vollendet
hatte.

2:4a   Das ist die Entstehungsgeschichte von Himmel und Erde, als sie
erschaffen wurden.

Das Paradies: 2,4b-25

2:4b   Zur Zeit, als Gott, der Herr, Erde und Himmel machte,
[1,1
4b-24: Hier liegt eine aeltere Schoepfungsdarstellung vor, in der der
Schwerpunkt auf der Erschaffung des Menschen und seiner Lebensordnung
(Ehe, Familie, mitmenschliche Gemeinschaft) liegt. Der Mensch scheint
noch vor den Pflanzen und Tieren erschaffen zu sein und wird so als
Haupt der Schoepfung herausgehoben. - Dadurch, dass der letzte
Pentateuchueberarbeiter so verschiedene Schoepfungsdarstellungen
miteinander verbindet, zeigt er, dass es ihm nicht auf die
naturwissenschaftlichen Gegebenheiten, sondern auf die religioesen
Aussagen der beiden Texte ankommt: Alles ist von Gott erschaffen; der
Mensch ist nicht das Produkt der Natur, sondern der von Gott in die
Welt gesetzte Partner Gottes; der Mensch ist auf Gemeinschaft hin
erschaffen; der Mensch hat als Ebenbild Gottes Anteil an der
Herrschaft Gottes ueber die Welt.]

2:5    gab es auf der Erde noch keine Feldstraeucher und wuchsen noch keine
Feldpflanzen; denn Gott, der Herr, hatte es auf die Erde noch nicht
regnen lassen, und es gab noch keinen Menschen, der den Ackerboden
bestellte;

2:6    aber Feuchtigkeit stieg aus der Erde auf und traenkte die ganze
Flaeche des Ackerbodens.
[Feuchtigkeit: in H ein Wort unbekannter Bedeutung.]

2:7    Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und
blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem
lebendigen Wesen.
[1,26f
In H Wortspiel mit den Ausdruecken fuer Ackerboden (adamah) und
Mensch (adam).]

2:8    Dann legte Gott, der Herr, in Eden, im Osten, einen Garten an und
setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte.

2:9    Gott, der Herr, liess aus dem Ackerboden allerlei Baeume wachsen,
verlockend anzusehen und mit koestlichen Fruechten, in der Mitte des
Gartens aber den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis von Gut
und Boese.

2:10   Ein Strom entspringt in Eden, der den Garten bewaessert; dort teilt
er sich und wird zu vier Hauptfluessen.

2:11   Der eine heisst Pischon; er ist es, der das ganze Land Hawila
umfliesst, wo es Gold gibt.
[11-14: Die Fluesse Pischon und Gihon sowie das Land Hawila lassen
sich geographisch nicht bestimmen. Kusch ist etwa der heutige Sudan
mit Teilen Aethiopiens; Assur ist die alte Hauptstadt des
Assyrerreichs.]

2:12   Das Gold jenes Landes ist gut; dort gibt es auch Bdelliumharz und
Karneolsteine.
[Bdellium ist ein Harz zur Salbenherstellung.]

2:13   Der zweite Strom heisst Gihon; er ist es, der das ganze Land Kusch
umfliesst.

2:14   Der dritte Strom heisst Tigris; er ist es, der oestlich an Assur
vorbeifliesst. Der vierte Strom ist der Eufrat.

2:15   Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten
von Eden, damit er ihn bebaue und huete.

2:16   Dann gebot Gott, der Herr, dem Menschen: Von allen Baeumen des
Gartens darfst du essen,

2:17   doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Boese darfst du nicht essen;
denn sobald du davon isst, wirst du sterben.

2:18   Dann sprach Gott, der Herr: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein
bleibt. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht.

2:19   Gott, der Herr, formte aus dem Ackerboden alle Tiere des Feldes und
alle Voegel des Himmels und fuehrte sie dem Menschen zu, um zu sehen,
wie er sie benennen wuerde. Und wie der Mensch jedes lebendige Wesen
benannte, so sollte es heissen.

2:20   Der Mensch gab Namen allem Vieh, den Voegeln des Himmels und allen
Tieren des Feldes. Aber eine Hilfe, die dem Menschen entsprach, fand
er nicht.

2:21   Da liess Gott, der Herr, einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen,
so dass er einschlief, nahm eine seiner Rippen und verschloss ihre
Stelle mit Fleisch.
[21-23: Da sich Israel die Vielheit der Menschen nicht ohne eine
gemeinsame Abstammung vorstellen kann, andererseits keinen
doppelgeschlechtlichen Urmenschen kennt wie andere Voelker, stellt man
sich vor, die Frau sei irgendwie aus dem Mann entstanden. Bei der in
Israel gelaeufigen Redensart "ein Bein und ein Fleisch" fuer enge
Verwandtschaft und Gemeinschaft - man kannte keine Verwandtschaft dem
Blut nach - lag es nahe, an die Entstehung der Frau aus dem "Bein und
Fleisch" des Mannes zu denken. Nur Gott konnte die Frau auf diese
Weise entstehen lassen.]

2:22   Gott, der Herr, baute aus der Rippe, die er vom Menschen genommen
hatte, eine Frau und fuehrte sie dem Menschen zu.

2:23   Und der Mensch sprach: Das endlich ist Bein von meinem Bein und
Fleisch von meinem Fleisch. Frau soll sie heissen; denn vom Mann ist
sie genommen.
[denn . . .: Die Ausdruecke fuer Mann (isch) und Frau (ischah) sind
im Hebraeischen aehnlich.]

2:24   Darum verlaesst der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine
Frau, und sie werden ein Fleisch.
[Mt 19,5; Mk 10,8; Eph 5,31; 1 Kor 6,16]

2:25   Beide, Adam und seine Frau, waren nackt, aber sie schaemten sich
nicht voreinander.