1:1    Die Schriften des Neuen Testaments

Jesus Christus erhob den Anspruch, der Retter und Heilbringer zu
sein, den Gott im Alten Testament verheissen hatte. So uebernahm die
christliche Kirche das Alte Testament als Heilige Schrift; daneben
ueberlieferte sie die Worte Jesu und die Berichte ueber seine Taten und
sein Schicksal. Die Worte Jesu wurden schon frueh aufgezeichnet, um
sie fuer die Glaubensunterweisung, die Verkuendigung im Gottesdienst
und fuer die Missionspredigt verwenden zu koennen. Bald wurden auch die
Berichte ueber das Leiden Jesu und ueber die Ereignisse nach seinem Tod
niedergeschrieben. Markus verfasste als erster ein Evangelium. Weitere
Evangelienbuecher folgten. Daneben entstanden auch andere
urchristliche Schriften verschiedenster Art: Briefe von Aposteln und
fuehrenden Maennern der Kirche an christliche Gemeinden und einzelne
Persoenlichkeiten; eine Geschichte der jungen Kirche bis zum
Aufenthalt des Apostels Paulus in Rom; theologische Lehrschriften,
seelsorgliche Anweisungen und ein prophetisches Buch ueber das
Schicksal der Kirche in Gegenwart und Zukunft. Alle diese Schriften
wurden etwa zwischen 50 und 120 n. Chr. abgefasst.

1:2    Die im Neuen Testament, dem Buch des Neuen Bundes, enthaltenen
urchristlichen Schriften wurden von der Kirche des 2. Jahrhunderts
gesammelt, weil sie den Glauben der apostolischen und
nachapostolischen Zeit auf zuverlaessige Weise bezeugen. Nach
Auffassung der Kirche sind sie unter dem Beistand des Heiligen Geistes
abgefasst worden. Sie galten von frueh an als fuer den Glauben und das
Leben der Kirche massgebliche Urkunden (kanonische, das heisst
massgebliche Schriften). Obwohl einige Schriften (Hebr, Jak, 2 Petr,
Offb) noch bis ins 4. Jahrhundert umstritten blieben, hat sich der in
der Kirche gueltige "Kanon" (Massstab, verbindliches Verzeichnis) im
wesentlichen in der 2. Haelfte des 2. Jahrhunderts durchgesetzt. Er
weist heute folgende Ordnung auf: die vier Evangelien und die
Apostelgeschichte, dreizehn Briefe des Apostels Paulus, der Brief an
die Hebraeer, die sieben sog. Katholischen Briefe und die Offenbarung
des Johannes.

2:1    Die Evangelien

Vier Evangelienbuecher fanden Aufnahme in das Neue Testament. Sie
bezeugen, jedes auf seine Weise, das eine Evangelium von Jesus
Christus. Ihre literarische Form zeigt an, dass die Evangelien sog.
Sammelwerke sind; urspruenglich einzeln weitergegebene
Ueberlieferungsstuecke ueber Worte und Taten Jesu sind von den
Evangelisten gesammelt und durch redaktionelle Ueberleitungen zu einem
Ganzen zusammengefuegt worden. Diese Buecher wurden von der fruehen
Kirche wahrscheinlich nach der damals angenommenen Abfassungszeit
geordnet. Das Wort "Evangelium" stammt aus dem Griechischen
(euangelion) und bedeutet "gute Nachricht", "frohe Botschaft". Mit
diesem Wort benannten die Christen ihre Verkuendigung von dem
endgueltigen Heil, das Gott durch Jesus Christus allen Menschen
anbietet. Markus verwendete als erster dieses Wort als Ueberschrift
seines Berichts ueber die Worte, die Taten und das Schicksal Jesu
(1,1). Damit entstand eine neue Form religioeser Schriften, die
Evangelien.

2:2    Die Ueberschriften der kanonischen Evangelien lauten seit dem 2.
Jahrhundert: Das Evangelium nach Matthaeus, nach Markus, nach Lukas,
nach Johannes. Die ersten drei Evangelien sind untereinander nach
Inhalt, Aufbau und Sprache eng verknuepft; darum werden sie
"synoptische" Evangelien genannt (synopsis, das heisst Zusammenschau).