32:1 Hoert zu, ihr Himmel, ich will reden, die Erde lausche meinen Worten.
[meinen Worten, woertlich: den Worten meines Mundes.]
32:2 Meine Lehre wird stroemen wie Regen, meine Botschaft wird fallen wie
Tau, wie Regentropfen auf das Gras und wie Tauperlen auf die
Pflanzen.
32:3 Ich will den Namen des Herrn verkuenden. Preist die Groesse unseres
Gottes!
[den Namen des Herrn, andere Uebersetzungsmoeglichkeit: einen Namen
Jahwes. - Auf jeden Fall wird hier angekuendigt, dass in diesem Lied
fuer den unter dem Namen Jahwe bekannten Gott Israels ein neuer Name
ausgerufen werden soll. Er beherrscht das ganze Lied und lautet: der
Fels. Unter diesem Namen wurde Gott wohl in Jerusalem verehrt (vgl.
Ps 62,8; 89,27).]
32:4 Er heisst: Der Fels. Vollkommen ist, was er tut; denn alle seine Wege
sind recht. Er ist ein unbeirrbar treuer Gott, er ist gerecht und
gerade.
[Roem 9,14; 2 Thess 3,3; Offb 15,3; 16,5]
32:5 Ein falsches, verdrehtes Geschlecht fiel von ihm ab, Verkrueppelte,
die nicht mehr seine Soehne sind.
[Mt 17,17; Lk 9,41; Apg 2,40; Phil 2,15; Mt 6,9; Lk 11,2; Joh 8,41
Schwieriger, wahrscheinlich verderbter Text.]
32:6 Ist das euer Dank an den Herrn, du dummes, verblendetes Volk? Ist er
nicht dein Vater, dein Schoepfer? Hat er dich nicht geformt und
hingestellt?
32:7 Denk an die Tage der Vergangenheit, lerne aus den Jahren der
Geschichte! Frag deinen Vater, er wird es dir erzaehlen, frag die
Alten, sie werden es dir sagen.
32:8 Als der Hoechste (den Goettern) die Voelker uebergab, als er die
Menschheit aufteilte, legte er die Gebiete der Voelker nach der Zahl
der Goetter fest;
[Apg 17,27; Ps 82
nach der Zahl der Goetter, andere Lesart: nach der Zahl der Soehne
Israels. - Diese Lesart ist juenger. Sie wurde eingefuehrt, um
polytheistische Vorstellungen, die dieses Lied noch ohne Bedenken
benutzt, zu beseitigen. Die gemeinte Zahl ist 70. Es gab 70 Goetter,
die die 70 Voelker der Welt regierten. Da Israel (Jakob) 70 Nachkommen
hatte, als er nach Aegypten zog (Ex 1,5), erlaubte man sich die
Aenderung von "Goetter" in "Soehne Israels".]
32:9 der Herr nahm sich sein Volk als Anteil, Jakob wurde sein Erbland.
32:10 Er fand ihn in der Steppe, in der Wueste, wo wildes Getier heult. Er
huellte ihn ein, gab auf ihn acht und huetete ihn wie seinen
Augenstern,
32:11 wie der Adler, der sein Nest beschuetzt und ueber seinen Jungen
schwebt, der seine Schwingen ausbreitet, ein Junges ergreift und es
fluegelschlagend davontraegt.
32:12 Der Herr allein hat Jakob geleitet, kein fremder Gott stand ihm zur
Seite.
32:13 Er fuehrte ihn auf die Berge des Landes, er naehrte ihn mit den
Fruechten des Feldes, er stillte ihn mit Wein aus den Felsen, mit Oel
aus Felsspalten.
[er naehrte ihn mit den Fruechten des Feldes, andere Lesart: und er
ass von den Fruechten des Feldes. - Er stillte ihn mit Wein aus dem
Felsen, mit Oel aus den Felsspalten: Es ist wohl an Weinberge und
Oelhaine gedacht, die auf felsendurchwachsenen Berghaengen angelegt
sind. Andere Uebersetzungsmoeglichkeit: mit Honig aus dem Felsen.]
32:14 Mit Butter von Kuehen, Milch von Schafen und Ziegen, dazu kam Fett
von Laemmern, von Widdern aus Baschan und von Ziegenboecken, dazu
Feinmehl aus Weizen. Das Blut der Trauben trankst du gegoren.
32:15 Und Jakob ass und wurde satt, Jeschurun wurde fett und bockte. Ja,
fett und voll und feist bist du geworden. Er stiess den Gott, der ihn
geformt hatte, von sich und hielt den Fels fuer dumm, der ihn
gerettet hatte.
[33,5.26
Die erste Zeile fehlt bei einem Teil der Textzeugen. - Jeschurun:
kultischer Name fuer Israel.]
32:16 Sie weckten seine Eifersucht durch Fremde, durch greuliche Wesen
reizten sie ihn zum Zorn:
[1 Kor 10,20; Offb 9,20]
32:17 Sie opferten Geistern, die keine Gottheiten sind, und Goettern, die
sie frueher nicht kannten, Neulingen, die erst vor kurzem gekommen
waren, vor denen eure Vaeter sich nicht fuerchteten.
32:18 An den Fels, der dich gezeugt hat, dachtest du nicht mehr, du
vergassest den Gott, der dich geboren hat.
32:19 Da sah der Herr, dass er geschmaeht wurde von seinen Soehnen und
Toechtern, die seinen Zorn erregten.
[Andere Lesart: Der Herr sah (es), und er verstiess im Zorn seine
Soehne und Toechter.]
32:20 Und er sagte: Ich will mein Gesicht vor ihnen verbergen und dann
sehen, was in Zukunft mit ihnen geschieht. Denn sie sind eine
Generation des Aufruhrs, Soehne, in denen die Untreue sitzt.
[Mt 17,17; Lk 9,41]
32:21 Sie haben meine Eifersucht geweckt durch einen Gott, der kein Gott
ist, mich zum Zorn gereizt durch ihre Goetter aus Luft - so wecke ich
ihre Eifersucht durch ein Volk, das kein Volk ist, durch ein dummes
Volk reize ich sie zum Zorn.
[Roem 10,19; 11,11; 1 Kor 10,22]
32:22 In meiner Nase ist Feuer entbrannt. Es lodert bis in die unterste
Totenwelt, verzehrt die Erde und was auf ihr waechst und schmilzt die
Fundamente der Berge.
32:23 Immer neue Not buerde ich ihnen auf, ich setze gegen sie alle meine
Pfeile ein.
32:24 Sie werden ausgemergelt durch den Hunger, verzehrt durch die Pest
und die verheerende Seuche. Den Zahn der Raubtiere lasse ich auf sie
los, dazu das Gift der im Staube Kriechenden.
[im Staube Kriechende: Schlangen.]
32:25 Auf der Strasse raubt das Schwert die Kinder und in den Zimmern der
Schrecken. Da stirbt der junge Mann und das Maedchen, der Saeugling
und der Greis.
32:26 Ich koennte sagen: Sie sollen nicht mehr sein, kein Mensch soll
spaeter noch an sie denken,
32:27 muesste ich nicht auch ihren Feind angreifen, der meinen Zorn erregt,
ihre Gegner, die sich nicht taeuschen sollen, die nicht sagen sollen:
Unsere Hand ist erhoben, der Herr hat nichts von allem getan.
32:28 Doch diesem Volk fehlt es an Rat, ihm mangelt es an Verstand.
diesem Volk: gemeint sind die Gegner Israels.
32:29 Waeren sie klug, so begriffen sie alles und verstuenden, was in
Zukunft mit ihnen geschieht.
[Lk 19,42]
32:30 Wie kann ein einziger hinter tausend herjagen, und zwei zehntausend
in die Flucht schlagen, es sei denn, ihr Fels hat sie verkauft, der
Herr hat sie preisgegeben?
32:31 Doch der Fels unserer Feinde ist nicht wie unser Fels; das beweisen
unsere Feinde.
[1 Sam 2,2
In der zweiten Vershaelfte ist die Deutung von H unsicher.]
32:32 Ihr Weinstock stammt von dem Weinstock Sodoms, vom Todesacker
Gomorras. Ihre Trauben sind giftige Trauben und tragen bittere
Beeren.
32:33 Ihr Wein ist Schlangengift und Gift von ekligen Ottern.
32:34 Liegt dies nicht bei mir verborgen, in meinen Vorratskammern
versiegelt
32:35 bis zum Tag der Strafe und Vergeltung, bis zu der Zeit, da ihr Fuss
wanken wird? Doch der Tag ihres Verderbens ist nah, und ihr
Verhaengnis kommt schnell. -
[1 Thess 4,6; (35-36) Lk 21,22; Roem 12,19; Hebr 10,30
Andere Lesart: Mein ist die Strafe und die Vergeltung zu der Zeit,
da ihr Fuss wanken wird. - Roem 12,19 und Hebr 10,30 setzen diese
Lesart voraus.]
32:36 Ja, der Herr wird seinem Volk recht geben und mit seinen Dienern
Mitleid haben. Er wird sehen: Jede Hand ist ermuedet, es gibt nur
noch Unterdrueckte und Hilflose.
[2 Koen 14,26; Ps 135,14]
32:37 Und er wird sagen: Wo sind ihre Goetter? Wo ist der Fels, bei dem sie
Schutz suchten?
32:38 Die das Fett ihrer Schlachtopfer essen, die den Wein ihrer
Trankopfer trinken - die sollen vortreten und euch helfen. Dieser
Fels soll ein Schutzdach ueber euch sein.
32:39 Jetzt seht: Ich bin es, nur ich, und kein Gott tritt mir entgegen.
Ich bin es, der toetet und der lebendig macht. Ich habe verwundet;
nur ich werde heilen. Niemand kann retten, wonach meine Hand
gegriffen hat.
[Jes 43,10-13]
32:40 Ich hebe meine Hand zum Himmel empor und sage: So wahr ich ewig
lebe:
[Offb 10,5f]
32:41 Habe ich erst die Klinge meines Schwertes geschliffen, um das Recht
in meine Hand zu nehmen, dann zwinge ich meinen Gegnern die Strafe
auf und denen, die mich hassen, die Vergeltung.
32:42 Meine Pfeile mache ich trunken von Blut, waehrend mein Schwert sich
ins Fleisch frisst - trunken vom Blut Erschlagener und Gefangener,
ins Fleisch des hoechsten feindlichen Fuersten -.
32:43 Erhebt das Siegesgeschrei, ihr Himmel, zusammen mit ihm, werft euch
vor ihm nieder, ihr Goetter! Denn er erzwingt die Strafe fuer das Blut
seiner Soehne und entsuehnt das Land seines Volkes.
[Roem 15,10 G; Hebr 1,6; Offb 6,10; 18,20; 19,2]
32:44 Dann kam Mose zum Volk und trug ihm das Lied in seinem vollen
Wortlaut vor, er und Josua, der Sohn Nuns.
32:45 Die Mahnung zur Belehrung der naechsten Generation:
Als Mose damit zu Ende war, alle diese Worte vor ganz Israel
vorzutragen,
[Hier sind drei verschiedene Textfassungen ueberliefert. Die
uebersetzung folgt der wahrscheinlichsten Rekonstruktion.]
32:46 sagte er zu ihnen: Schenkt allen Bestimmungen eure Beachtung. Heute
beschwoere ich euch: Verpflichtet eure Kinder, dass auch sie auf alle
Bestimmungen dieser Weisung achten und sie halten.
[4,9; 31,13]
32:47 Das ist kein leeres Wort, das ohne Bedeutung fuer euch waere, sondern
es ist euer Leben. Wenn ihr diesem Wort folgt, werdet ihr lange in
dem Land leben, in das ihr jetzt ueber den Jordan hinueberzieht, um es
in Besitz zu nehmen.
[4,1-4; 30,15-20]
32:48 Gottes Weisung ueber das Sterben des Mose: 32,48-52
Am selben Tag sagte der Herr zu Mose:
[(48-52) Num 27,12-14; Num 33,47f; Apg 7,45]
32:49 Geh hinauf in das Gebirge Abarim, das du vor dir siehst, steig auf
den Berg Nebo, der in Moab gegenueber Jericho liegt, und schau auf
das Land Kanaan, das ich den Israeliten als Grundbesitz geben werde.
32:50 Dort auf dem Berg, den du ersteigst, sollst du sterben und sollst
mit deinen Vorfahren vereint werden, wie dein Bruder Aaron auf dem
Berg Hor gestorben ist und mit seinen Vorfahren vereint wurde.
[Num 20,22-29]
32:51 Denn ihr seid mir untreu gewesen inmitten der Israeliten beim
Haderwasser von Kadesch in der Wueste Zin und habt mich inmitten der
Israeliten nicht als den Heiligen geehrt.
[Num 20,2-13]
32:52 Du darfst das Land von der anderen Talseite aus sehen. Aber du
darfst das Land, das ich den Israeliten geben werde, nicht betreten.