20:1    Aramaeerkriege: 20,1-43

Ben-Hadad, der Koenig von Aram, sammelte sein ganzes Heer. In seinem
Gefolge waren zweiunddreissig Koenige mit Pferden und Wagen. Er zog
herauf, belagerte Samaria und bestuermte es.
[1-43: In diesem Kapitel sind Verhaeltnisse vorausgesetzt, die unter
Ahab nicht bestanden; die Vorgaenge fallen in die Zeit des Koenigs
Joasch von Israel, vgl. 2 Koen 13,3.7.17-19.24f. Sie werden hier auf
Ahab uebertragen.
Gemeint ist Ben-Hadad III., der Zeitgenosse des Joasch (vgl. 2 Koen
13,24f). Unter Ahab regierte in Damaskus Hadad-Eser.]

20:2    Dann schickte er Boten in die Stadt zu Ahab, dem Koenig von Israel,
[Der Name Ahab findet sich nur noch in V. 13f.]

20:3    und liess ihm sagen: So spricht Ben-Hadad: Dein Silber und dein Gold
gehoeren mir. Auch deine Frauen und deine edlen Soehne gehoeren mir.

20:4    Der Koenig von Israel antwortete: Ganz wie du sagst, mein Herr und
Koenig, soll es geschehen. Ich gehoere dir mit allem, was ich besitze.

20:5    Aber die Boten kamen ein zweitesmal und meldeten: So spricht
Ben-Hadad: Ich habe dir sagen lassen, dass du mir dein Silber und
Gold, deine Frauen und Soehne ausliefern sollst.

20:6    Doch morgen um diese Zeit werde ich meine Leute zu dir schicken,
damit sie dein Haus und auch die Haeuser deiner Diener durchsuchen
und alles, was wertvoll ist, nehmen und forttragen.

20:7    Da rief der Koenig von Israel alle Aeltesten des Landes zu sich und
sagte: Seht und erkennt, dass dieser Mann Boeses im Sinn hat. Er hat
von mir meine Frauen und Soehne, mein Silber und Gold gefordert, und
ich habe ihm nichts verweigert.
[Zur Rettung der Stadt war der Koenig zu den groessten persoenlichen
Opfern bereit. Ueber das Vermoegen der Untertanen wollte er nicht ohne
deren Zustimmung verfuegen.]

20:8    Da antworteten ihm alle Aeltesten und das ganze Volk: Gehorch ihm
nicht, und willige nicht ein!

20:9    Er gab daher den Abgesandten Ben-Hadads den Bescheid: Sagt zu meinem
Herrn, dem Koenig: Alles, was du zuerst von deinem Knecht verlangt
hast, will ich tun; doch diese Forderung kann ich nicht erfuellen.
Die Boten zogen ab und meldeten es ihrem Herrn.

20:10   Darauf sandte Ben-Hadad abermals Boten (zu Ahab) und liess ihm sagen:
Die Goetter sollen mir dies und das antun, wenn der Staub Samarias
ausreicht, um allen Leuten in meinem Gefolge die Hand zu fuellen.

20:11   Doch der Koenig von Israel antwortete: Sagt zu ihm: Wer den Guertel
anlegt, soll sich nicht ruehmen wie einer, der ihn bereits ablegt.
[In einer sprichwoertlichen Redensart wird gesagt, dass man sich
eines Erfolgs erst ruehmen soll, wenn man ihn erlangt hat.]

20:12   Als Ben-Hadad diese Meldung empfing, hielt er gerade in den Zelten
ein Gelage mit den Koenigen. Er befahl seinen Leuten anzugreifen, und
diese begannen den Sturm auf die Stadt.

20:13   Doch ein Prophet kam zu Ahab, dem Koenig von Israel, und sagte: So
spricht der Herr: Siehst du diese gewaltige Menge? Ich gebe sie
heute in deine Hand, und du wirst erkennen, dass ich der Herr bin.

20:14   Ahab fragte: Durch wen? Er erwiderte: So spricht der Herr: Durch die
Truppe der Provinzstatthalter. Als dann der Koenig weiter wissen
wollte, wer den Kampf eroeffnen solle, sprach er: Du selbst.

20:15   Daraufhin musterte er die Truppe der Provinzstatthalter; es waren
zweihundertzweiunddreissig Mann. Nach ihnen musterte er das ganze
Kriegsvolk, die Gesamtheit der Israeliten; es waren siebentausend
Mann.

20:16   Als sie um die Mittagszeit ausrueckten, zechte Ben-Hadad mit den
zweiunddreissig Koenigen, seinen Bundesgenossen, in den Zelten.

20:17   Die Truppe der Provinzstatthalter rueckte zuerst aus. Ben-Hadad hatte
Beobachter ausgesandt, und sie meldeten ihm, dass Leute aus Samaria
herauskommen.

20:18   Er befahl: Wenn sie in friedlicher Absicht kommen, ergreift sie
lebendig! Wenn sie zum Kampf ausruecken, ergreift sie ebenfalls
lebendig!

20:19   Sobald nun die Truppe der Statthalter und das Heer, das ihr folgte,
aus der Stadt ausgerueckt waren,

20:20   gelang es jedem einzelnen, seinen Gegner zu ueberwinden. Die Aramaeer
mussten fliehen, und die Israeliten setzten ihnen nach. Ben-Hadad,
der Koenig von Aram, konnte zu Pferd entkommen, ebenso einige
Wagenkaempfer.

20:21   Als dann auch der Koenig von Israel ausrueckte, vernichtete er die
Pferde und Kriegswagen und bereitete den Aramaeern eine schwere
Niederlage.

20:22   Da erschien der Prophet wieder beim Koenig von Israel und sagte zu
ihm: Sammle deine Kraefte, und ueberleg dir gut, was du zu tun hast;
denn um die Jahreswende wird der Koenig von Aram abermals gegen dich
ziehen.

20:23   Zum Koenig von Aram hatten naemlich seine Ratgeber gesagt: Ihr Gott
ist ein Gott der Berge; darum waren sie uns ueberlegen. Wenn wir aber
in der Ebene mit ihnen kaempfen, dann werden wir sie bestimmt
besiegen.

20:24   Tu also folgendes: Entfern die Koenige aus ihrer Stellung, und
ersetze sie durch Statthalter!

20:25   Dann sammle ein ebenso grosses Heer, wie du es verloren hast, und
ebensoviele Pferde und Kriegswagen, wie du zuvor hattest. Wir werden
in der Ebene mit ihnen kaempfen und sie gewiss besiegen. Ben-Hadad
befolgte ihren Rat.

20:26   Um die Jahreswende musterte er die Aramaeer und rueckte zum Krieg
gegen Israel bis Afek vor.
[Afek liegt oestlich vom See Gennesaret; vielleicht ist ein Ort in
der Naehe von Samaria gemeint.]

20:27   Auch die Israeliten wurden gemustert und mit Lebensmitteln versehen.
Sie zogen den Aramaeern entgegen und lagerten ihnen gegenueber wie ein
paar kleine Ziegenherden; die Aramaeer aber fuellten die ganze Gegend.

20:28   Nun trat der Gottesmann zum Koenig von Israel hin und sagte: So
spricht der Herr: Weil die Aramaeer sagen, dass der Herr ein Gott der
Berge und nicht ein Gott der Ebenen sei, gebe ich diese ganze
gewaltige Menge in deine Hand; und ihr werdet erkennen, dass ich der
Herr bin.

20:29   Sie lagen dann sieben Tage einander gegenueber. Am siebten Tag kam es
zur Schlacht, und die Israeliten toeteten vom aramaeischen Fussvolk
hunderttausend Mann an einem Tag.

20:30   Der Rest floh in die Stadt Afek; doch die Mauer stuerzte ueber den
siebenundzwanzigtausend Mann, die uebriggeblieben waren, zusammen.
Auch Ben-Hadad war in die Stadt geflohen und irrte von einem Gemach
in das andere.

20:31   Da sagten seine Ratgeber zu ihm: Wir haben gehoert, dass die Koenige
des Hauses Israel milde Koenige sind. Wir wollen daher Trauergewaender
anlegen und mit Stricken um den Hals zum Koenig von Israel
hinausgehen. Vielleicht schenkt er dir das Leben.

20:32   Sie legten also Trauergewaender an, und mit Stricken um den Hals
kamen sie zum Koenig von Israel. Sie flehten ihn an: Dein Knecht
Ben-Hadad bittet dich, ihm das Leben zu schenken. Er antwortete:
Lebt er noch? Er ist mein Bruder.

20:33   Die Maenner nahmen das Wort als gutes Zeichen, gingen sogleich darauf
ein und sagten: Ben-Hadad ist dein Bruder. Dann befahl der Koenig von
Israel: Geht, bringt ihn zu mir! Als Ben-Hadad kam, nahm er ihn zu
sich auf seinen Wagen.
[als gutes Zeichen: Text sinngemaess korr.]

20:34   Da erklaerte Ben-Hadad: Die Staedte, die mein Vater deinem Vater
weggenommen hat, werde ich zurueckgeben, und in Damaskus magst du dir
Handelsniederlassungen errichten, wie mein Vater es in Samaria getan
hat. Der Koenig von Israel erwiderte: Auf diese Abmachung hin werde
ich dich freilassen. So schloss er mit ihm einen Vertrag und liess ihn
frei.
[Vgl. 2 Koen 13,25. Der Koenig von Israel war zum Frieden bereit, den
das Land dringend benoetigte. Die Hinrichtung Ben-Hadads haette seinen
Nachfolger nur zur Fortsetzung des Kriegs veranlasst.]

20:35   Einer von den Prophetenjuengern sprach im Auftrag des Herrn zu seinem
Gefaehrten: Schlag mich! Als dieser sich weigerte, ihn zu schlagen,

20:36   sagte er zu ihm: Weil du der Stimme des Herrn nicht gehorcht hast,
wird dich ein Loewe toeten, sobald du von mir weggegangen bist. Der
Mann hatte sich kaum von ihm entfernt, als ihn ein Loewe anfiel und
toetete.
[13,24]

20:37   Hierauf traf der Prophet einen andern und befahl ihm: Schlag mich!
Dieser schlug auf ihn ein und verwundete ihn.
[Um beim Koenig mit seiner Erzaehlung Glauben zu finden, will der
Prophet als Verwundeter erscheinen, der vom Schlachtfeld kommt.]

20:38   Sogleich begab sich der Prophet zum Koenig und stellte sich ihm in
den Weg. Durch eine Binde ueber den Augen hatte er sich unkenntlich
gemacht.

20:39   Als der Koenig vorbeikam, rief er ihn und sagte: Dein Knecht ist in
den Kampf gezogen. Da kam jemand herbei, brachte mir einen
Gefangenen und befahl: Bewach diesen Mann! Wenn er entkommt, dann
musst du es mit deinem Leben buessen, oder du musst ein Talent Silber
bezahlen.
[39f: Der Koenig sollte gezwungen werden, sich selbst das Urteil zu
sprechen (vgl. 2 Sam 12,1-7).]

20:40   Waehrend nun dein Knecht da und dort zu tun hatte, konnte der
Gefangene entkommen. Da sagte der Koenig von Israel: Du hast dir dein
Urteil selbst gesprochen.

20:41   Sogleich nahm der Prophet die Binde von den Augen, und der Koenig von
Israel erkannte ihn als einen von den Propheten.

20:42   Dieser aber sagte zu ihm: So spricht der Herr: Weil du den Mann,
dessen Verderben ich wollte, aus deiner Hand entlassen hast, muss
dein Leben fuer sein Leben, dein Volk fuer sein Volk einstehen.

20:43   Missmutig und verdrossen ging der Koenig von Israel nach Hause und kam
nach Samaria.