Robinson


Zwischen Q und Fladen brachen Ameisen verschiedenster Nationalitäten
hervor. Zur allgemeinen Erheiterung wurde Wein und Weib gereicht. Drei
Bastarde der Habsburger Puppenkiste machten sich unflätig über
Spargelhaine und verblichenen Unrat her, der in der Sonne glänzte wie
ein Schrein, der mit Königen gefüllt ist. Draußen pfiffen gröhlende
Jungs ein Lied. Im Wirbel der Gezeiten wurden sie wie Spielbälle hin-
und hergeworfen: drein und quer und qreuz.

Alles in allem war es ein gelungenes Fest.

"Du solltest besser in die Wüste ziehen", hörte ich die Menge
aufbegehren; bei dem Gedanken daran graute mir, wie auch immer, kalt
war mir immerhin nicht.

Zwei Wochen später...

Zwei Wochen war ich nun schon hier in der Wüste, ohne einen Tropfen
Geld, und mir schwante Schreckliches beim Anblick dieser höhnisch in
der Ferne lachenden Oase; überall Rotqohl und Ananas, Palmen, es gab
deren zwei, wedelten mir entgegen, als ich mich langsam tapsend, wie
ein Mensch in der Wüste, darauf zu bewegte.

Ich kam näher und meine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich:
ich war nicht allein, nein. Zu allem Überfluß dröhnte aus den
Lautsprechern - alle schon längst vollends ins Ökosystem integriert,
mit eigener ökologischer Nische und eigenem Gartenzwerg sowie rotem
Ferrari vor jeder Haustür - das Lied aus der Feder jener gespaltenen
Persönlichkeit, die ihrem Unmut über die herrschende Schizophrenie,
die ihm aus sämtlichen Poren dringt, dergestalt Ausdruck verleiht, daß
sie wohlweißlich in ihren Liedtexten den Zwist über die
Unvereinbarkeit zweier Farben, die, obschon im Farbspektrum eng
beieinandergelegen, sich doch bis ins Mark und aufs Ärgste
unterscheiden, mit dem im gleichen Maße schmalen Grade zwischen Genie
und Wahnsinn in Zusammenhang bringt, und besagter Zwist wird zudem auf
dem Rücken einer (sowohl in Gestalt wie auch im Geschmack)
unscheinbaren Frucht ausgetragen, einer Haselnuß.

Doch ich schweife ab...

Gepackt von neuem Ehrgeiz nahm ich meine fünf Sinne in die Hand und
schmetterte sie der Reizüberflutung, die wie ein dicht geknüpfter
Tibetteppich auf mich einwirkte, entgegen, so daß ich mir wenigstens
einen ausreichend großen Aktionradius schaffen konnte, um die Musik
abzustellen. Spürbar belebt durch die einkehrende Stille (in
akustischer Hinsicht), betrachtete ich qritisch meine Umgebung und
bemerkte alsbald ein Paar Ohren in einem Busch, die Gliedmaßen im
Unterholz raschelnd. Gemessenen Schrittes und ausreichend bewaffnet
mit Keule und Gurt, den ich mir irgendwie verschafft hatte, troff ich
auf das Wesen zu, das da in seinem Versteck kauerte.

Einen Moment lang hielt ich inne und rief mir das siebente Gebot in
Erinnerung, bevor ich vorsichtig auf den Busch klopfte. Ein kleines
Männchen trat hervor, es besaß zwei Ohren. Jedoch das Fehlen von
Augen, Mund sowie Gesicht schlechthin, und das stellvertretende - umso
auffälligere - Vorhandensein einer senkrecht zum Erdboden verlaufenden
Furche stimmten mich nachdenklich und ließen mich einen Moment
innehalten. Diese kurze Verzögerung der Geschehnisse nutzte das kleine
Männchen, um wegzurennen.

Ich war zu stolz, um ihm nachzulaufen, so vergewisserte ich mich,
mittels eines raschen Blickes auf meine Sonnenuhr, der Uhrzeit sowie
des Datums und ich war froh zu gewahren, daß es bereits Freitag war.

von mue, 2002 (CC BY-NC-ND 4.0)