Die Datenflosse, Teil 1


Die Straße war grau.
Die Straße war staubig.
Die Straße war dunkel.

Er stand inmitten der Straße. Die Häuser glotzten ihn dümmlich an, mit
großen Augen, die Rolläden oben und die Türen offen. Er tappste so
drein, dann sah er einen Brunnen. Darin schwamm ein Fisch. Der Fisch
war silbrig und glänzte.

„Hallo, Fisch“, murmelte er. Seine Stimme war kratzig, seine Kehle
trocken. Er räusperte sich.
„Hallo, Mensch“, dachte der Fisch.

Der Mensch sah den Brunnen hinab, dem Fisch ins Gesicht. Dann mußte er
lachen. Das alles sah der Fisch.

Der Fisch war nicht sehr klein und nicht sehr groß.
Der Fisch war silbrig und glänzte.

Der Mensch stand am Brunnen und konnte nicht aufhören zu lachen.
Der Brunnen war tief.
Der Tag war schön, die Luft war warm und die Sonne hell.

Der Fisch blubberte und trank und sah aus dem Wasser.
Der Mensch fing an zu schwitzen, doch das ging bald vorüber.
Der Fisch sah ihn an und der Mensch lachte immer noch.

Der Fisch dachte: „Ich habe etwas für dich.“
Doch der Mensch hörte ihn nicht.
Der Fisch wedelte mit der Flosse und trank.
Da hörte der Mensch auf zu lachen und sah den Fisch an.

„Was hast du da?“ fragte der Mensch.
„Das ist meine Flosse, ich schenke sie dir!“ dachte der Fisch.
„Du bist ja ein komischer kleiner“, sagte der Mensch.

Der Fisch gluckste im Wasser und trank.
Der Mensch beugte sich vor und sah genauer hin.

„Ich habe etwas zu erledigen, weißt du das?“
Der Fisch antwortete nicht. Dann tauchte er unter und gleich wieder
auf, wedelte mit der Flosse.

„Hier! Hier!“ dachte der Fisch. „Ich bin schon überall gewesen!“
Der Mensch lachte wieder. „Das kann doch nicht wahr sein!“
„Doch, doch! Ich kann dir alles erklären!" dachte der Fisch.
„Das ist doch verrückt“, sagte der Mensch, wieder ernst.
„Bitte, bitte, hilf mir! Ich kann nicht schwimmen!“
Der Mensch trat zurück. Der Fisch paddelte. „Bitte. bitte!“ dachte er.
Doch der Mensch hörte ihn nicht.

Der Fisch sah den Mensch an. „Ich kann dir alles erklären“, dachte er.
Der Mensch sagte nichts mehr.
„Bitte, bitte, nimm meine Flosse! Ich bin kein Fisch, ich bin viel
mehr“, dachte der Fisch. Der Mensch hörte nicht zu, er sah zur Seite,
dann nach oben.

„Du bist ein Fisch“, sagte er, „oder etwa nicht?“
Bitte, bitte, hilf mir!“ Der Fisch paddelte und trank.

Da begriff der Mensch.

Der Tag war immer noch schön, die Luft immer noch warm, die Sonne
immer noch hell. Aber die Häuser glotzten nicht mehr so dümmlich. Der
Mensch war allein.

„Bitte nicht!“ rief der Mensch, „Stirb nicht!“
„Dann hilf mir!“ weinte der Fisch und planschte. „Schnell, schnell!“

Doch der Brunnen war tief. Der Mensch weinte und der Fisch weinte mit
ihm und paddelte und planschte und trank. Und der Mensch fing an zu
schwitzen und es wurde immer schlimmer.

„Bitte, bitte, stirb nicht“, weinte der Mensch und der Fisch guckte aus
dem Wasser.

„Hilf mir!“ Dann tauchte er unter und nicht wieder auf.

Das alles sah der Mensch. Er stand am Brunnen und sah hinab. Er weinte
nun nicht mehr. Er schluckte. Und draußen war der Tag schön und die
Luft warm und Sonne schien hell und blind.

von mue, 2001 (CC BY-NC-ND 4.0)