LUCA-APP: NOCH MEHR AUSHöHLUNG DES DATENSCHUTZES
(Veröffentlicht am 2021-04-01 22:27:33 von tux0r)
Die in Deutschland schon zu lange nur inkonsequent bekämpfte
COVID-19-Pandemie bestimmt weiterhin unseren Alltag. Tests und Impfungen
nehmen zwar allmählich Fahrt auf, die schrittweise Rückkehr zu gewohnter
Normalität erfolgt jedoch außerordentlich langsam.
Mit Sorge sehen wir PIRATEN Braunschweig die damit verbundenen Bemühungen
von Politik und Wirtschaft, die von den meisten Bürgern freiwillig und nur
zum Eigenbedarf genutzten Smartphones zu einer Notwendigkeit für die
Erfüllung von Anforderungen Dritter umzufunktionieren. In Berlin-Mitte
geht das so weit, dass man während der stufenweisen Öffnung ohne drei
gleichzeitig installierte und aktive Apps, die der Terminbuchung und
Kontakterfassung dienen sollen, vorerst nicht in Restaurants speisen
dürfen soll.((Berliner Zeitung [
https://www.berliner-zeitung.de/news/berliner-pilotprojekt-diese-drei-apps-sollen-restaurantbesuche-ermoeglichen-li.149232
])) Die mit anhaltender Dauer der Einschränkungen steigende Bereitschaft
vieler Bürger, ihr Recht auf Datenschutz scheibchenweise aufzugeben, um
vermeintliche Freiheit zurückzugewinnen, setzt ein fatales politisches
Signal.
Datenschutz darf kein Spielball politischer und wirtschaftlicher Interessen
sein. Wie wir nicht erst seit den Enthüllungen von Edward Snowden wissen,
weckt die Verfügbarkeit von Standort- und Kontaktdaten immer auch
Begehrlichkeiten. Abgesehen davon, dass es Menschen gibt, die sich kein
Smartphone leisten können oder wollen, sehen wir PIRATEN hier insbesondere
die Gefahr, dass die erhobenen Daten, wenngleich vorgeblich verschlüsselt,
zu falschen Zwecken missbraucht werden können.
Das niedersächsische Innenministerium hat zur Kontaktnachverfolgung einen
Vertrag über drei Millionen Euro mit den Machern der Luca-App
abgeschlossen, obwohl für die Corona-Warn-App bereits der pseudonyme
Check-In angekündigt ist.((heise online [
https://www.heise.de/news/Corona-Warn-App-bekommt-nach-Ostern-Check-In-Funktion-5992164.html
])) Dieses Geld hätte auch sinnvoller angelegt werden können, etwa in die
EDV-Ausstattung von Schulen. Die Luca-App stand ursprünglich unter einer
fragwürdigen Open-Source-Lizenz (frei gucken, aber nicht
anfassen)((@zerforschung auf Twitter [
https://twitter.com/zerforschung/status/1377043580498378753 ])), steht nach
Kritik aus den sozialen Medien inzwischen aber unter der GPL (jeder darf
alles damit machen, so lange er die Änderungen offenlegt)((t-online:
Niedersachsen nutzt Luca-App für Kontaktverfolgung [
https://www.t-online.de/region/hannover/news/id_89737828/niedersachsen-nutzt-luca-app-fuer-kontaktverfolgung.html
])). Wiederholt haben die für diese App Verantwortlichen unter Beweis
gestellt, dass sie Software- und Lizenzrecht nicht verstanden haben. Es ist
erschreckend, dass eine deutsche GmbH für lizenzwidrig zusammenkopierten
Code mehrere Millionen Euro Steuergeld bekommt, ohne die Urheber des
ursprünglichen Quellcodes zu nennen.((Diskussion im GitHub-Projekt eines
der betroffenen Entwickler [
https://github.com/thesimj/jBaseZ85/issues/1
]))
Die Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) sehen
die Notwendigkeit, Änderungen in der App zu implementieren, damit der
Schutz der personenbezogenen Daten der teilnehmenden Personen erhöht
wird.((heise online: Luca-App: Datenschützer fordern Nachbesserungen [
https://www.heise.de/news/Luca-App-Datenschuetzer-fordern-Nachbesserungen-6001245.html
])) Trotzdem hat sich die Stadt Braunschweig bereits als Modellkommune für
die Einführung dieser umstrittenen App beworben.((Braunschweig will
Modellkommune werden [
https://www.braunschweig.de/politik_verwaltung/nachrichten/braunschweig-will-modellkommune-werden.php
]))
Positiv zu bewerten ist, dass diese App ein QR-Code-System anbietet,
welches auch denen offen stehen soll, die nicht über ein Smartphone
verfügen.((Wir alle sind Gesundheitsamt: Mit der luca-App [
https://rathaus.rostock.de/de/luca/318889 ]))((Nutzung der "Luca"-App auf
Sylt auch ohne Smartphone möglich [
https://www.sylt1.tv/2021/03/02/nutzung-der-luca-app-auf-sylt-auch-ohne-smartphone-moeglich/
])) Dies ist bei der staatlichen Corona-Warn-App derzeit noch nicht
möglich. Gleichwohl kritisieren wir, dass für das Luca-System die Eingabe
persönlicher Daten zwingend ist, wobei die Korrektheit der Telefonnummer
sogar verifiziert wird, zumal die App auf einer zentralen (und damit für
Geheimdienste ebenso wie für Hacker verlockenden) Datenspeicherung
aufbaut, die unter Umständen die Anonymität der Nutzer aufs Spiel
setzt.((heise online: Luca-App: Datenschützer fordern Nachbesserungen [
https://www.heise.de/news/Luca-App-Datenschuetzer-fordern-Nachbesserungen-6001245.html
]))((AG Digitaler Wandel: Livin' La Vida Luca(-App)? [
https://digitaler-wandel.piratenpartei.de/livin-la-vida-luca-app/ ])) Eine
so geartete zentral verwaltete Datensammelei ist sowohl unnötig als auch
absolut inakzeptabel. Die Corona-Warn-App hat bereits gezeigt, dass es
besser geht.((ZDF: Chaos Computer Club lobt deutsche Corona-App [
https://web.archive.org/web/20210323020230/https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-app-launch-100.html
]))
Wir PIRATEN Braunschweig fordern, bei von unseren Steuern bezahlter
Software wenigstens auf die Einhaltung grundlegender Datenschutzregeln zu
achten. Wir setzen uns für echte quelloffene Software und die pseudonyme
Nutzung jeglicher digitaler Dienste ein und lehnen eine verpflichtende
Nutzung teurer Hardware zur Teilnahme an sonst Alltäglichem darüber
hinaus ab.
Wir erachten es als gutes Zeichen, dass die Corona-Warn-App bald einen
pseudonymen Check-In bei Veranstaltungen ermöglichen wird ((heise online [
https://www.heise.de/news/Corona-Warn-App-bekommt-nach-Ostern-Check-In-Funktion-5992164.html
])), erwarten aber, dass die Möglichkeit geschaffen wird, auch ohne
Smartphone wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Die
Beschaffung oder Nutzung der Luca-App lehnen wir in der derzeitigen Form
ab.
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