ABSCHLIEßENDE HAUSHALTSREDE 2021
(Veröffentlicht am 2021-03-23 16:08:03 von DIE FRAKTION P²)

* Hier das Abschlussstatement zum Haushalt 2021 des Vorsitzenden von DIE
FRAKTION P², Maximilian P. Hahn (Die PARTEI):*
[caption id="attachment_23615" align="alignleft" width="225"]Image:  [
https://www.piratenpartei-braunschweig.de/wp-content/uploads/2019/08/Max-P.-Hahn-klein-225x300.png
] Max P. Hahn (Die PARTEI)[/caption]

"Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

seit einem Jahr befinden wir uns in einem gefühlten Stillstand. Es fühlt
sich an, als hätte man 1 Jahr geskippt. Viele Menschen haben seit einem
Jahr keine neuen Menschen gesprochen oder kennen gelernt. Alles verschwimmt
in einem mattgrau, und man funktioniert gerade noch so sehr, mehr aus
Verantwortungsbewusstsein gegenüber anderen als für sich selbst. Gefühle
wie Freude oder Unbeschwertheit werden sehnsüchtig in fiktiven Filmen und
Romanen gesucht.

Geschichten, die eine schöne oder überhaupt eine Zukunft versprechen.
Ich möchte hier zwei Varianten erläutern:


Variante 1:
Braunschweig, wir schreiben das Jahr 2050.
Der Kohleausstieg wurde aufgrund der Ressourcenkriege um Sand und Wasser
ausgesetzt. Kohle dient nun nicht mehr nur als Stromlieferant, sondern auch
als Hauptantriebsquelle für Autos - wenn das individuelle
Fortbewegungsmittel überhaupt noch so genannt werden kann. Es ähnelt eher
einem Panzerwagen. Diese Kettenfahrzeuge sind mit kleinen Atomreaktoren
ausgestattet, um Scheinwerfer zu betreiben, die den Weg im Rußnebel
enthüllen. So können vor der Arbeit sicher zur Verwahranstalt gebracht
werden, wo sie dank dem Super-Duper-Kitagesetz auch zu jeder Tages- und
Nachtzeit verweilen können.

Städtische Zeppeline warnen  mit akustischen Signalen vor saurem Regen.
Immer öfter fallen diese Signale aus. Aber eigentlich hat seit Jahren
niemand mehr die Fenster geöffnet. Und das, obwohl die Fahrten immer
länger werden. Niemand wohnt mehr in der Stadt, da alles zum unbewohnbaren
Gewerbegebiet erklärt wurde.

Die Ruinen der alten Schulen sind Zeugnis einer längst vergessenen Welt,
aber immerhin bieten die Schulhöfe genügend Parkraum. Unter den Ruinen
liegen die Unterrichtsräume in Bunkeranlagen.
Die dafür abgetragene Erde konnte profitabel an die nördlichen Kommunen
verkauft werden. Diese benötigen sie, um mit Dämmen den stetig steigenden
Meeresspiegel Herr zu werden.

Glücklicherweise wurde durch die Reaktivierung  des Endlagers Asse der
Boden so stark verstrahlt, dass man sich die Beleuchtung der unterirdischen
Schulen sparen konnte. Einzig die Schulkantine ist über der
Erdoberfläche. Aber die wird in der Regel eh nicht genutzt, weil kaum
jemand bereit ist für das Menü: Joghurtbechersalat mit Autoreifen 49,95
EUR zu zahlen. Aber immerhin vegan, vom Geschmack jedenfalls.

Im Unterricht wird der Overheadprojektor genutzt. Dank dem
Digitalisierungsprogramm befindet sich nun in jedem Raum ein Exemplar. In
der ersten Stunde steht Geschichte an. Alle Schülerinnen treten zum
Fahnenappell an und ehren den Helden der Stadt: Gerhardt Hercules Hofmann,
der vor hundert Jahren die Stadt gerettet hat. Niemand weiß mehr genau,
was und wie, aber Dank dem Umstrukturierungsprogramm wurden alle Denkmäler
durch eines von ihm ersetzt.

Nach der Schule geht es weiter zur Arbeit in die Börekwerke. Im Laufe der
Zeit haben sich durch die unkontrollierte Marktwirtschaft genau drei Firmen
durchsetzen können:
Der Pharmakonzern Jörgermeister, spezialisiert auf Kräuterzahnpasta und
Kettenfett,
Neu-NewYorker-Textilien für Mensch und Maschine und eben die berühmten
Börekwerke, Hersteller für Panzer, Briefmarken und Allerlei.

Nach der 18-Stundenschicht geht’s dann noch zum Saufen auf den
Schießstand oder zur Abwechselung zum Schießen auf den Saufstand. Das
läuft dann bis zum Renteneintrittsalter 85 und Feierabend.

Oder wir schauen in eine andere Zukunft.

Variante 2:
Braunschweig, wir schreiben das Jahr 2050.
Das fröhliche Zwitschern eines Rotkehlchens weckt uns und die Sonne
strahlt uns ins Gesicht. Bei der morgendlichen Tasse grünen tee
(natürlich Bio und Fairtrade) ist der einzige negative Gedanke warum das
Rotkehlchen schon wieder Vogel des Jahres geworden ist. Denn seit Erreichen
der Klimaziele hat sich die Artenvielfalt gerade auch in der Innenstadt
extrem entwickelt. Noch ein kleiner Tropfen Honig aus dem Bienenstock vom
Balkon und ab zur Arbeit.

Wir haben beim Transportmittel die Wahl zwischen Fahrrad, Hyperloop und
Wasserrutsche. Durch das staatlich geförderte
Montessori-Pädagogik-Programm sind die Kinder ab 3 Jahren so
selbstständig, dass sie selber entscheiden, ob sie heute in den Wald- und
Wiesenkindergarten möchten oder das digitale Lernprogramm auf dem Holodeck
in Anspruch nehmen. Stadtteil-Sozialarbeiter bringen mittags das Essen auf
Hoverboards vorbei: Die perfekte Mischung aus Obst, Nüssen und anderen
wichtigen Nährstoffen. Dank stärkeren Kontrollen in der
Lebensmittelindustrie gibt es eigentlich nichts Ungesundes mehr im
Discounter. Wobei die meisten Menschen Dank der verkürzten Arbeitszeit
auch jeden Tag auf dem Markt im Stadtteil gehen und alles frisch und
regional kaufen.

Die Gebäude der Gesamtschulen sind ähnlich wie Hochseilgärten
aufgestockt und die Kids lernen erst die unterschiedlichen Tier- und
Pflanzennamen kennen, bevor sie Zins- und Bruchrechnen lernen.

Auf dem Weg ins Büro bzw. Coworking Space noch schnell einen Apfel von der
innerstädtischen Streuobstwiese geklaubt. Im Office gibt’s einen
dringenden Call. Die Solarpanels müssen recycelt werden. Kein Thema - wir
stellen solange auf Wasserstoff um. Schnell die Werke in Neu-Wolfsburg und
die Arbeiterinnen in Salzgitter verständigt und der Drops ist gelutscht.

14.00 Uhr: Feierabend. Zur Entspannung erst mal ein
Craftbeer-Granatapfel-Smoothie und abends dann das Spiel Eintracht
Braunschweig im Champions League Finale gegen Wehen Wiesbaden – Eintracht
gewinnt.

Nun, in  welcher Welt möchten sie leben?
Ich tendiere zur zweiten Variante, aber da ich Craftbeer und Hippies nicht
ausstehen kann, muss ich wohl einen Mittelweg gehen.

Der Haushaltsentwurf ist nicht perfekt, war er auch noch nie. Aber was ist
die Alternative? Natürlich müssen wir mitgestalten, dafür sind wir
gewählt.

Lassen sie mich noch ein paar Worte an die Fraktionen richten, die im
Vorfeld angekündigt haben, den Entwurf abzulehnen. Fangen wir unten an,
bei der FDP.
Die FDP-Fraktion schlug vor die Fraktionskostenpauschale zu verringern. Ich
weiss wie viel sie bekommen, wir bekommen das Gleiche! Kleiner Tipp: Sie
können jedes Jahr das Geld, welches übrig bleibt – zurück überweisen.
Macht das sonst noch jemand? Ja, ich weiß, größere Fraktionen brauchen
mehr Geld für Kaffee und Kopierpapier. Dann möchten sie die
Umstrukturierung des Hagenmarktes verschieben.  Puh, die
Bürgerinnenbeteiligung ist eh schon so mau bei der Kommunalpolitik, da
können wir schlecht das Lieblingsthema canceln.

Weiter geht es, BIBS und Linke. sind eingeschnappt, weil was genau los war?
Ach ja Kapitalismus. Aber was ist jetzt die Strategie? Solange dagegen sein
bis ihr 50% bekommt? Im Westen schwer vorstellbar. Bisschen nach dem Motto:
Wir wollen soziale Gerechtigkeit und den Austritt aus der Nato! Treten wir
nicht aus, wollen wir auch keine soziale Gerechtigkeit? Hä?
Ja, ich weiß, ist sehr verkürzt dargestellt. Sorry, aber es wird gleich
noch schlimmer.

Zur AfD braucht man nicht viel sagen. Ist halt eine Fraktion, die nicht
viel macht außer Sauerstoff und Steuergeld verbrauchen.

Aber jetzt kommen wir zur CDU. Mit Freude habe ich festgestellt, dass sie
im Bundestag das Rotationsprinzip für sich entdeckt haben. Es vergeht ja
kaum noch ein Tag ohne Rücktritt. Vorbildlich, da kann sich mein
Bundesvorsitzender eine Scheibe von abschneiden.
Aber mal ehrlich, sie benutzen Wahlkampfbegriffe wie 1 Milliarde,
Schuldenberg und Wiener Kongress um Angst zu machen. Das ist schon echt
unfair.

Ich bin nämlich mit den gleichen Vorstellungen in die Politik gegangen.
Ich träumte von geheimen Hinterzimmerklüngeleien und jeder Menge
Geldkoffern und Freibier. Sie versprechen den politisch Motivierten das
Blaue vom Himmel, dabei bleibt dem Otto-Normal-Politiker der Traum von
Lobbyreisen und Nebeneinkünften als Berater verwehrt.
Auch die Empfänge sind in ihrem Freibierkontingent sehr beschränkt, wie
ich von Beginn der Legislatur an schmerzlich feststellen musste. Gerade in
diesem Jahr der Kommunalwahl sollten sie aufpassen, was sie versprechen.
Sie erwecken völlig  falsche Erwartungen. Kommunalpolitik ist leider
staubtrocken und eher langweilig. Eigentlich sollten die
Aufwandsentschädigungen erhöht werden um mehr Anreize zu schaffen. Kann
ja nicht sein, dass wir uns hier ein Rentnerparlament anzüchten. Im besten
Fall sollten die Entscheidungsträger von heute auch 2050 noch miterleben.

Abschließend bleibt mir nur eines zu sagen: Ich werde dem Haushalt
zustimmen, denn wer an dem Haushalt  zweifelt, der zweifelt auch am
Oberbürgermeister.

Vielen Dank.

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