(SZ) Bayern hat, sieht man vom Israel der Bibel ab, die meisten
Propheten, und wenn diese auch sprachlich mit den Sehern des Alten
Testaments oft nicht mithalten können, so verfügen sie doch über ein
ähnlich gutes Gespür dafür, dass es so, wie es jetzt geht, nimmer lang
weitergehen kann. Der Stormberger Mathias zum Beispiel, Hirte und
Aschenbrenner zu Rabenstein, äußerte sich folgendermaßen: "Die Sach
geht ihren Lauf. Ein Himmelszeichen wird es geben, und ein gar
strenger Herr wird kommen und den armen Leuten die Haut abziehen." Das
mit dem "gar strengen Herrn" hat man bisher auf den/die Finanzminister
hin interpretiert und daraus gefolgert, dass "die Sach" schon gelaufen
sei. Davon kann nun keine Rede mehr sein.
Am Samstag gab es über Bayern ein Zeichen von apokalyptischer Art,
indem sich der Himmel gelb, ocker, ja rotbraun verfärbte. Früher hätte
man sich bei so einer Gelegenheit des Wortes schweflicht erinnert oder
dessen, was in der Offenbarung Johannis steht: "Und siehe, die Sonne
ward schwarz wie ein härener Sack." Wo die Sonne zum Sack wird, wird
es auch der Himmel, in dem Fall nicht irgendeiner, sondern der von
Film, Funk und Fernsehen her bekannte, weltweit respektierte weißblaue
Himmel. Der Himmel über Bayern ein härener schwarzer Sack! Sacco di
Baviera, um es in der Sprache des Landes zu sagen, über das die
Dunkelheit zu uns kam. Die Meteorologen haben nämlich die Quelle der
Verfinsterung bald gefunden: Wüstensand, der in der Sahara von
heftigen Stürmen aufgewirbelt worden war. Er überflog das Mittelmeer
und wurde, so unsere Vermutung, von Silvio Berlusconi nach Deutschland
weitergeleitet, vermutlich aus Rache dafür, dass er kürzlich nicht mit
Schröder, Blair und Chirac hatte zusammensitzen und Europa einen neuen
Kick geben dürfen.
Nun blieb aber die Wüstenwolke leider ausgerechnet über dem Bundesland
stehen, dessen Regierung von dem Dreiertreffen ebenfalls wenig hält.
Die Bayerische Staatskanzlei, mit der Deutung eigenartiger Phänomene
sonst schnell zur Hand, hat sich zu der Finsternis bisher nicht
geäußert, was den Schluss zulässt, dass man mit der Gewichtung des
Ereignisses Schwierigkeiten hat. Eine positive Auslegung wäre aus der
Tatsache zu gewinnen, dass Edmund Stoiber eine Woche lang in Indien
war. Er habe, könnte man behaupten, dort mit seinen ökonomischen
Entwürfen einen solchen Wirbel verursacht, dass der Staub des ganzen
Subkontinents sich erhoben habe, um ihm das Geleit zu geben. Diese
These wäre freilich schwer zu halten, weil spätestens beim ersten
Regen die Herkunft des Sandes bewiesen werden könnte. Doch selbst wenn
man an einer indischen Wolke festhielte: Stoiber wäre der, der Bayern
verdunkelt hat, und daran wollen wir doch nicht einmal denken.