(SZ) Wieder ein neues, ein kitzliges Wort gelernt: Stolperwörtertests.
  Ja, so was gibt es, so was Gemeines. Eigentlich ist das Wort selbst
  schon so einer, ein Stolperwörtertest. Bitte zehnmal schnell
  hintereinander . . . Gestolpert? Hoffentlich nicht. Erprobt haben Wort
  und Sache die Erziehungswissenschaftler der Universität Siegen unter
  der Leitung von Professor Heinz Brügelmann. Wozu aber das Ganze? Es
  geht um etwas, das früher als vergnüglich galt, mittlerweile aber
  pisa-ernst diskutiert wird: das Lesen. Stolperwörtertests, lässt uns
  Professor Brügelmann wissen, testen "Genauigkeit, Geschwindigkeit und
  inhaltliches Verständnis beim Lesen". So weit, so gut, eigentlich kaum
  bemerkenswert. Getestet wird ja mittlerweile immerzu und nahezu alles.
  Aber das Ergebnis dieser Siegener Tests gibt dann doch zu denken.
  Getestet wurden 6000 Schüler, 300 Lehrer und 75 Meisterschüler einer
  Handwerkskammer.

  Horribile dictu: Auch Lehrer wurden stolperwörtergetestet! Heraus kam
  Verblüffendes: 30 Prozent der zehnjährigen Mädchen und Jungen,
  Viertklässler allesamt, waren genauso gut im Stolperlesen wie die
  "leistungsschwächeren" (Professor Brügelmanns Wort) Lehrer.
  Leistungsschwächere Lehrer! Das ist ein Wort im Komparativ. Der Logik
  folgend schließen wir: Wir haben leistungsschwache Lehrer und dann
  noch leistungsschwächere! Eingeholt (überholt?) von fast einem Drittel
  der Viertklässler! Die Deutschland niederschmetternden Ergebnisse der
  Pisa-Studie erscheinen in neuem Licht. Welcher Viertklässler wagt
  schon, seinen Lehrer auszustechen in einem europaweiten Test? Zumal
  wenn die leistungsschwächeren Lehrer mit Zsupán aus dem
  "Zigeunerbaron" singen: "Ja, das Schreiben und das Lesen / Ist nie
  mein Fach gewesen." Pisa für Lehrer muss her! Das könnte zum Kampfruf
  aller Viertklässler der Republik werden.

  Der Siegener Professor indes wiegelt ab. Das Testergebnis, bei dem das
  obere Drittel der Viertklässler auch locker das untere Drittel der
  zukünftigen Handwerksmeister schlug, zeige nämlich, "dass das Etikett
  lese- und rechtschreibschwach oft zu leichtfertig vergeben wird".
  Offenkundige Schwächen würden nach dem Ende der Schulzeit durch andere
  Fähigkeiten ausgeglichen. Seine Untersuchungen, vermutet Brügelmann,
  könnten die Katastrophenstimmung an unseren Schulen relativieren.
  Herrlich. Daraus folgt auch ein weiteres Argument für Lehrer-Pisa: Je
  schwächer die Lehrer, desto besser schneiden ja die Schüler ab. Ein
  dreimaliges Helau dem Stolpertest! Auf die Fächer, in denen Lehrer
  geformt werden, kommen aufregende Aufgaben zu. Denn weniger bringt
  mehr. Aber vielleicht erinnern sich die nicht ganz so
  leistungsschwachen Lehrer an das Lesen eines Rilke-Verses: "Wer
  spricht von Siegen? Überstehn ist alles."