(SZ) Zuckerkulör, das klingt nicht appetitlich. Das klingt nach
sähmigem, künstlichem Schlabber. Auch die seelenlose
Alternativbezeichnung E 150 d macht wenig Lust auf den Verzehr eines
Nahrungsmittels, dem dieser Stoff seine Farbe verleiht. Aber dass sich
die blubbernde Bräune der noch immer beliebtesten Limonadenmarke der
Erde aus Zuckerkulör speist, das wissen ohnehin nur die Oberschlauen,
die nichts Besseres zu tun haben, als die Inhaltsstoffliste auf der
Flasche zu studieren. Wir studieren weiter: Phosphorsäure, Aroma,
Koffein, Zucker. Vor allem Zucker. Hartnäckig hält sich die
folkloristische Mär, rohes Fleisch, eingelegt in diesen Sud, löse sich
auf. Das alles hat so gar nichts Lockendes, das läuft so auf Sodbrand,
Fettsucht und Zahnschwund hinaus. Lieber rasch einen Blick auf den
Markennamen geworfen. Wie viel mehr Sinnlichkeit verheißt er, was für
rauschhafte Zustände, welch dionysisches Schwelgen in geheimnisvollen
Inhaltsstoffen: "Coca-Cola".
Es wird wohl nie ganz zu klären sein, ob wirklich Kokain enthalten war
in der ersten Mixtur, die der Pharmazeut John Stith Pemberton aus
Atlanta für seinen Sirup gegen Müdigkeit, Kopfschmerzen und
Depressionen zubereitete. Ist auch nicht entscheidend. Entscheidend
ist vielmehr der elegant geschwungene Jugendstil-Schriftzug, die auch
bei den vorgeblich unzerstörbaren Plastikbehältern neueren Datums
erhalten gebliebene weiblich runde Tiffany-Vasenform der Flasche. Ob
es uns passt oder nicht, wenn wir Coca-Cola trinken, dann trinken wir
marketing history. Ende des neunzehnten Jahrhunderts, als so herrliche
Dinge wie "Branding" und "Kundenbindung" noch als platonische Ideen
auf metaphysischen Weiden grasten, da steckte die Firma Coca-Cola
schon vergleichsweise große Mengen Geldes in die Werbung. Sie hat
unsere Weltwahrnehmung geprägt. Wer könnte sich beispielsweise den
Weihnachtsmann anders vorstellen als rot und weiß gekleidet? Das
verdanken wir einer schlauen Werbekampagne, die Santa Claus einst in
die Farben des Limo-
Logos hüllte.
Nun ist es an der Zeit zu frohlocken. Vor fast genau 75 Jahren wurde
in Essen die erste deutsche Flasche mit Cola nach Coke-Rezept befüllt.
Heute feiert der Konzern derhalben ganz groß. Allerdings nicht in
Essen, sondern in Berlin; dorthin verlegte man im vergangenen Jahr die
deutsche Firmenzentrale. Doch auch die Hauptstadt ist ein Ort, den
unsere großartige Geschichte mit dem Konzern aus Atlanta verbindet:
Coca-Cola belieferte schon die dortigen Olympischen Spiele 1936 mit
Erfrischungen. Und als nach kriegsbedingter Pause Max Schmeling 1952
lizenzierter Coca-Cola-Händler wurde, war klar, dass es weitergehen
würde, wie es begonnen hatte: durchschlagend, aber sportlich. Darauf
eine Pepsi.