(SZ) Wenn heute, uff uff, vor den Wigwams in den dark and bloody
grounds zwischen Winklmoosalm und Kiel die Lagerfeuer lodern und
Rauchzeichen gen Himmel schweben, dann wird auch uns eine Träne der
Rührung entweichen, und einer in der Runde, bedeutungsvoll am
Zigarillo ziehend, wird raunen: "Wisst ihr noch? Damals, Bad Segeberg.
War'n harte Zeiten. Die Schurken, die sich da herumtrieben! Aber er,
er hat sie alle am Wickel gekriegt." Ja, so war es, und nebenbei hat
er sich in eine todbringende Kugel geworfen, ist mit erlesenen
Schlussworten auf den Lippen gestorben und am selben Tage
wiederauferstanden, sitzend auf Iltschi, seinem treuen Ross. Müssen
wir mehr sagen? Von Winnetou ist Rede. Dem Häuptling der Apatschen.
Dem herrlichsten Indianer, dessen Name, so berichtete Karl May," in
jeder Blockhütte und an jedem Lagerfeuer lebte", einem Mann, "gerecht,
klug, treu, tapfer bis zur Verwegenheit".
Heute wird Winnetou 75 Jahre alt, und jetzt sage keiner: "Quatsch, der
ist doch viel älter und längst eingegangen in die Ewigen Jagdgründe."
So reden Leute, die Pierre Louis de Bris für eine französische
Käsemarke halten. Tatsächlich ist das der bürgerliche Name von Pierre
Brice, und der wiederum, aber das weiß wirklich jeder, ist Winnetou.
Ehe Pierre, der bretonische Bahnbeamtensohn, auf den Plan trat,
herrschte wegen des Apatschen Physiognomie größte Verwirrung, woran
nicht zuletzt Karl May schuld war. Der beschrieb sein Aussehen so:
"männlich schönes Gesicht", "fast römisch zu nennen" - was doch auf
jeden Mann hier zu Lande zutrifft. Allgemein verbindlich ist Winnetous
Erscheinungsbild erst, seit Pierre Brice 1962 im Film "Der Schatz im
Silbersee" den Apatschenhäuptling spielte und die Rolle nicht mehr
abgab, bis die Kinoreihe 1968 am Ende war und sich der Kampf mit
Fieslingen wie Santer oder Forrester auf die Freilichtbühnen von Elspe
und Bad Segeberg verlagerte.
Bei Manitou, sind wir nicht alle seine Brüder, wir, die Zeugen waren,
wie Pierre-Winnetou edelmütig das Böse bekämpfte? Wir sind mit ihm
über die kroatische Prärie geritten, waren verliebt in Nscho-tschi,
seine schöne Schwester, und als es später gegen Kernkraftwerke und
Großkonzerne ging, war auch er irgendwie dabei - der edle Wilde, der
statt Frack Fransenleder trägt, Ölbaronen die Stirn bietet und kein
Benzin verbraucht. Okay, war vielleicht ein Missverständnis, denn
Winnetou, der Last-Minute-Christ, ist vor allem eines: korrekt vom
Stirnband bis zu den Mokassins. Kein Feuerwasser, keine
Weibergeschichten. Echte Rothäute können sich da eine Scheibe
abschneiden. Es heißt nicht umsonst: Nur ein deutscher Indianer ist
ein guter Indianer. Dass Pierre Brice Franzose ist, sei ihm großmütig
verziehen. Howgh!