(SZ) Eine formidable Zeit, jenes mittlere 19. Jahrhundert, von uns aus
  gesehen. Wohl hatte die erste industrielle Revolution ihre Stiefel
  schon geschnürt, fraß das sanfte Mühlenrauschen der Romantik und
  ersetzte es durch klatschende Transmissionsriemen. Anderseits waren
  der weißen Flecken viele noch auf Erden, ebenso Platz für spekulative
  Entdeckungen und exzentrische Wissenschafts-Entwürfe. Wenn man bei der
  eigenen Brut anfragte: Was möchten's denn werden, meine Kindchen?
  nuschelten die nicht, wie die Heutigen, unwirsch: Global Player wäre
  supi - oder: "Frag nicht dumm, Oligarch natürlich . . . ist das da der
  Neue, Mama?" Nein, die hellen Stimmchen damals wollten Naturforscher
  sein, Reisende.

  Was dies bedeutete vor 150 Jahren beschrieben die Abenteurer fesselnd
  selbst. Unendlich die Reihe schwarzer Träger, undicht die
  Gummi-Badewannen, untreu die Gefährten, unverschämt die Affen, feucht
  das Schießpulver, dazu Fleckfieber, Malaria, Chinin kiloweise. Charles
  Darwin, auf der Suche nach der Entstehung der Arten, vertraute sich
  fünf entbehrungsreiche Jahre (1831-36) dem Dreimastschiff Beagle an,
  ehe er auf den Galapagos fündig wurde. Ohne Livingstone und Stanley
  wiederum wäre Afrika unserem Schröder nicht zuzumuten gewesen . . .
  aber wo eigentlich bleibt das deutsche Forscherpotenzial jener Tage?
  Ach, wir zehrten von Humboldt. Später erschien Nachtigall. Dann aber
  wäre eines großen Naturforschers zu gedenken, welchem aber
  nachwirkendes Unrecht widerfahren. Geboren wurde der Pastorensohn in
  Thüringen. Architekt hätte er werden sollen. Im zarten Alter von 18
  Jahren fing er sich eine Malaria, schwor, weil eines ihn hatte fressen
  wollen, Krokodilen ewige Feindschaft; entkam während seiner fünf Jahre
  in Ägypten/Nordafrika, knapp einem wütenden Hippopotamus; teilte sein
  Lager mit der jungen Löwin Bachida, deren Offenheit, Ehrlichkeit,
  Kraftfülle und Gemütlichkeit er rühmte; heiratete dann allerdings
  Mathilde Reiz aus Greiz; nahm unter Arabern den Namen Chalihl-Efendi
  an. Als er aus Afrika zurückkehrte, studiert hatte, wurde aus dem
  jungen Helden ein Gattungsbegriff für "Tierleben". Sein Name? Alfred
  Edmund Brehm. "Der" Brehm.

  Gleich dem Freiherrn Knigge fiel Brehms fabelhaft illustriertes, heute
  unbezahlbares Werk posthum unter Fälscher und Wegmacher. Nichts blieb
  vom Original. Dabei war der "apostelmäßige", exzentrische Mann mit
  seinem Hang zur verlachten Tierseelenkunde der modernen
  Verhaltensforschung nicht so fern, zudem ein grandioser Erzähler,
  Schriftsteller, Polemiker. Zum heutigen 125. Geburtstag wünschen wir
  uns den ganzen unverfälschten Brehm zurück - auch die Liebesgeschichte
  mit Löwin Bachida.