(SZ) War Gerster nervös? Hat Gerster gelitten? War Gerster gar
  verzweifelt? Man weiß es nicht. Sie hat sich ja nie etwas anmerken
  lassen, Petra Gerster, wenn sie in den heute-Nachrichten über ihren
  Bruder sprach: "Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Gerster .
  . ." Ihre Stimme zitterte nicht. Ihre Hände lagen ruhig. Ihre Haut
  wirkte gut durchblutet wie immer. Nur ihre Augen waren, vielleicht,
  etwas größer als gewöhnlich, als staune sie über sich und ihren
  älteren Bruder und den ganzen Spuk. Aber vielleicht bilden wir uns das
  auch nur ein. Vielleicht wollten wir unbedingt eine Veränderung an ihr
  entdecken. Irgendein Zucken, ein Stocken, ein Schlucken. Nur deswegen
  haben wir zuletzt Nachrichten geschaut. Die Frage war nicht, ob der
  Gerster würde gehen müssen; bitte, irgendeiner geht immer. Die Frage
  war einzig und allein, ob die Gerster sich einmal, wenigstens einmal,
  gehen lassen würde.

  Wie prickelnd, wie dramatisch die Vorstellung, sie sagte plötzlich,
  abweichend vom eigenhändig erstellten Text: Jetzt reicht es mir,
  Leute, im folgenden bescheuerten Bericht wird der Florian schon wieder
  als arroganter Schnösel dargestellt, aber wer kennt ihn denn wirklich?
  Ich bin das, ich, und ich sage euch, er ist ein wunderbarer,
  fürsorglicher Mensch, ich erzähle euch eine Geschichte, so viel Zeit
  muss sein, Regie, schmeißt das 115. Attentat von Bagdad raus, ist
  sowieso immer dasselbe, also ich war vielleicht zehn, da muss der
  Florian demnach 16 gewesen sein, wutentbrannt wegen ich weiß nicht
  mehr was hab ich meine Alustullenbüchse nach ihm geworfen, das gab ein
  gewaltiges Scheppern sowie Fettflecke auf der Tapete, unser Vater
  erscheint und schreit: Wer war das? Wer? Ich, sagt da der Florian, ist
  mir runtergefallen, die doofe Büchse.

  Vielleicht war auch alles ganz anders, und Florian Gerster hat seine
  Schwester nicht beschützt, sondern getriezt. Räum' mal meine Stube
  auf, Kleine, aber dalli. Und das nennst du Aufräumen? Dann hätte sie
  jetzt auf Sendung kurz zischen können: Geschieht ihm recht, dass er
  endlich wegtritt, mein schrecklicher Bruder. Aber nichts. Sie hat sich
  nichts anmerken lassen. Irgendwie enttäuschend, die Konstellation war
  so verheißungsvoll. Andererseits leugnen wir nicht Respekt und, mehr
  noch, Bewunderung. Ist Selbstbeherrschung, laut Fichte, nicht die
  Wurzel aller Sittlichkeit? Ja, ist sie. Und war es ein Zufall, dass
  Petra Gerster, also eine Frau, uns diese Sittlichkeit wochenlang in
  Vollendung vorführte? Nein, war es nicht. Schon oft haben Männer
  Ähnliches probiert, und immer scheitern sie, wegen einer Kleinigkeit,
  die sie überkontrolliert, ja hart erscheinen lässt. Es liegt nicht an
  ihren Stimmen. Auch nicht an ihren Händen. Bleiben die Augen. Wenn ihr
  sie vor lauter Beherrschung nur nicht immer zu Schlitzen verengen
  würdet, ihr Pfeifen!