(SZ) Das war ein Wochenende wie ein weißer Rausch. Winterwonnen, vom
Morgengrauen bis nach Mitternacht. Und dabei musste man nicht einmal
vor die Haustür treten und sich den gemeinen Tücken und Risiken der
Jahreszeit ausliefern. Dem Knochenbruch, der Nierenverkühlung. Nein,
es genügte, still und glücklich im warmen Fernsehsessel zu verweilen -
denn die alte, liebe ARD zeigte zwei Tage lang Wintersport, fast ohne
Pause. Skispringen aus Sapporo. Abfahrtslauf aus Kitzbühel.
Riesenslalom aus Slowenien. Bob natürlich und auch Rodeln, Einsitzer
der Herren. Den Doppelsitzer der Damen verpasst, gleichviel. Dafür
jede Menge Biathlon, die Sache mit dem Schießgewehr. Der Zuschauer
durfte über die Tiroler Berge schweben, mit Waldemar-Waldi Hartmann -
ein Himmelsflug. Und mit Gerd Rubi-Rubenbauer ging es die Streif hinab
- ein Höllenritt. Durch die Mausefalle in den Lerchenschuss und ins
Ziel. Wobei, wie uns Experte Rubi erklärte, die Oberschenkel der
Rennfahrer "brannten", während beim Experten Markus Wasi-Wasmeier die
Schenkel der kühnen Männer "kochten" - ein wenig rätselhaft, dies
alles, aber geheimnisvoll und schön!
Schon am nächsten Wochenende fängt die Bundesliga wieder an. Dann wird
das Leben wieder ein anderes sein. Denn vom Fußball, da verstehen wir
was! Wir wissen genau, warum ein Mittelstürmer versagt und ein Trainer
weg muss. Und die alten Sprechchöre werden wieder machtvoll erklingen:
Nieder mit dem Bayernpack! Oder auch: S-null-vier, die Scheiße vom
Revier. Kennerschaft ist immer mit Leidenschaft verbunden - und
Leidenschaft immer mit Leiden. Unsere Lieblinge werden untergehen,
unsere Feinde aber triumphieren. Doch beim Wintersport sind uns Sieg
und Sieger vollkommen egal. Hier genießen wir die reine, ruhevolle
Meditation. Die Wonnen der Ahnungslosigkeit, das Glück der Ignoranz.
Niemals werden wir es lernen, den genialen Skiflieger vom
mittelmäßigen zu unterscheiden. Oder den Innenski vom Außenski. Oder
das Kochen der Oberschenkel von ihrem Brennen. Umso freier sind wir
für den Zauber der winterlichen Natur. Für den Heldenmut der Akteure.
Oder auch für den schieren Klangzauber ihrer Namen. Kati Wilhelm!
Matti Hautamäki!! Anni Friesinger!!! Man bekommt eine Gänsehaut - und
das weiß Gott nicht von der Kälte.
"Es gibt", hat Thomas Bernhard behauptet, "nichts Schöneres als einen
verregneten Nachmittag im Bett". Der Mann war Dichterfürst und
Alpenkönig. Trotzdem muss man ihm diesmal widersprechen. Das
Allerschönste ist ein verschneiter Tag vor dem Fernseher. Ein Tag, an
dem alle Lieben zu Besuch kommen, wie in einer Großfamilie. Ein Tag
mit Wasi, Waldi und Rubi. Mit Kati und Matti, Anni und Hanni. Genießen
wir jede Stunde, bis das Tauwetter kommt!