(SZ) Das Weltwirtschaftsforum von Davos, unter uns Global Players
  besser bekannt als "das Weff" (für World Economic Forum alias WEF),
  hat sich wieder einmal in die Herzen der Menschen gespielt, und zwar
  mit einem sowohl für gehobene Politik- und Wirtschaftskreise als auch
  für die Schweiz geradezu revolutionären Kleidererlass. Es möchte doch,
  hieß es, jeder seine Krawatte im Koffer lassen, auf dass man so locker
  konferieren könne, wie es sich angesichts allgemein besserer
  Aussichten empfehle. Das kam gut an, selbst bei den japanischen
  Teilnehmern, für die das Knüpfen eines Krawattenknotens ähnlich
  bedeutungsvoll ist wie das Blumenstecken oder Papierfalten. Einer der
  wenigen, die den Erlass ignorierten, war Bill Clinton. Er trug einen
  königsblauen Schlips, was in der Krawattenfarben-Lehre auf einen Mann
  von hoher Geistigkeit hindeutet. Möglicherweise war ihm aber nur ein
  Detail aus Bushs Rede zur Lage der Nation in die Glieder gefahren:
  dass der Amerikaner nicht um Erlaubnis fragt, vice versa sich also
  auch nichts verbieten lässt.

  Es ist wohl schwerer, als man denkt, ohne Krawatte zu leben.
  Schließlich ist sie nur vordergründig ein Accessoire, ein schmückendes
  Element. Hintergründig und essentiell ist sie Teil der männlichen
  Rüstung. Wenn so ein Manager im Morgengrauen eines Großkampftages,
  etwa einer feindlichen Übernahme, seine Krawatte zum besonders festen
  Plattsburgh-Knoten flicht, hat das etwas von dem Todes-Charme, mit dem
  die alten Rittersleut' ihre Harnische anschnallten: Shareholder Value
  sei's Panier! Dass hinter diesem Hintergrund ein weiterer lauert, sei
  nicht verhohlen. In der Krawattenpsychologie gilt es als ausgemacht,
  dass die Krawatte für ein anderes männliches Zubehörteil steht, woraus
  leicht zu folgern ist, was geschieht, wenn beispielsweise Miss
  Moneypenny dem Agenten 007 die Krawatte herrichtet. Da wird, mit
  Verlaub, etwas angebahnt. Unter diesem Aspekt bekommt natürlich die
  andere große Krawattenveranstaltung dieser Tage, der Düsseldorfer
  Mannesmann-Prozess, eine völlig neue Note, und man würde sich, Davos
  im Auge, nicht wundern, wenn Richterin Brigitte Koppenhöfer einen
  umfassenden Krawattenverzicht vorschlüge. Freilich, nach bisheriger
  Erfahrung würde das die Verteidigung wahrscheinlich als Anschlag auf
  die "Hygiene des Verfahrens" rügen und mit einem Befangenheitsantrag
  beantworten.

  In Davos hat der Ukas übrigens ein kurioses Dilemma geschaffen. Da
  jeder, der mit Krawatte erscheint, zugunsten des Kinderhilfswerks
  Unicef fünf Schweizer Franken ins "Straf-Kässeli" legen muss, stehen
  nun diejenigen, die sich an den Erlass halten, dumm da. Sie zeigen
  zwar die gewünschte Lässigkeit, werden aber dafür von den spendablen
  Krawattensündern gern gefragt, ob sie denn gar kein Herz für die
  Kinder hätten.