(SZ) Erschöpft lehnen wir uns an das kräftige, noch unschuldige
  Zweitausendvier. Schreckensbleich auch, sollten wir den einen oder
  anderen Jahresrückblick versehentlich verschluckt haben. All das wahr?
  Untergebracht in einem einzigen Jahr? Gott behüte, respektive: Gott
  sei Dank beschert uns der Herr im Nachhinein wohltuenden
  Erinnerungsschwund. Zurück bleibt das eher allgemeine und eigentlich
  schöne Gefühl, die Menschheit sei komplett verrückt geworden. Damals,
  Zweitausenddrei. Wie gekniffen. Als hätte sie es bezahlt gekriegt oder
  einen chemischen Stoff geschluckt. Bloß keine Details, will mich an
  nichts erinnern!

  Ja, weißt du wirklich nicht mehr, wie das Ungeheuer Hartz Zwei auf
  dich zugekrochen kam und unsern Dackel aufgegessen hat! Wie der
  rasende Schröder mit einem Dosenpfand um sich geworfen und geschrien
  hat: Geiz ist geil - nein, falsch: Das wollen wir ändern! hat er
  gerufen, täglich mindestens drei Mal: Wollen ändern! Und wie Ulla
  Schmidt in ihrem Aachener Singsang trällerte: Isch bin ein
  Jahrtausendhoch . . . reform-orientiertes Tausendhoch; wie Manfred
  Stolpes östlicher Bariton den Faden aufnahm: . . . und ich ein
  tollkollektes Tief . . . Tief . . . Tief; wie George Bush das alte
  Europa mit seinem Plastik-Turkey verprügelte und wie er einen
  bretonischen Frosch in Guantanamo einsperrte - ist es so gewesen -
  oder nicht?! Teilweise. Jedenfalls herrschen anfangs des neuen Jahres
  in den Köpfen unschuldiger Bürger Chaos und Demens. Furchtbar wirkt
  das Trommelfeuer unfreiwilligen Irrwitzes. Die heiß ersehnte totale
  Informationsgesellschaft verwirrt ihre Anwender. Hilflos versinken sie
  in der Flut der Fakten. Nicht relativiert und zeitlich kein bisschen
  abgebremst schlagen die Nachrichten gleichzeitig ein, ob sie nun von
  Antipoden berichten oder ob der Berliner Senat vor
  "Faunenverfälschern" in seinen Hauptstadt-Gewässern warnt. Gemeint
  waren übrigens amerikanische Ochsenfrösche.

  Zwotausendvier? Insgesamt wohl etwas übersichtlicher. Aber mehr und
  mehr wird eine sich verselbstständigende "Terrorwarnung" uns
  bedrücken, als ein unüberprüfbarer Wert an sich. Und die
  "Ost-Erweiterung". Sie dürfte nach den Erfahrungen des vergangenen
  Jahres vielfach als Aufforderung zur privaten Promiskuität
  missverstanden werden. Da wir nun das Wünschen nicht allein der Zeit
  überlassen möchten, wünschen wir uns eine Art Fernbedienung, mittels
  derer man schwer gebleichten Szene-Frauen ihre natürliche Haarfarbe
  zurückgeben könnte, hübsches Mittelblond. Plötzlich. Für Sekunden.
  Mitten im Foto-Shooting. Und endlich wünschen wir uns, dass die
  schreckliche, schwarze, ja schwärzeste Periode für die Zeitung, auch
  für dieses Blatt, vorbei sein möge.