(SZ) Ach, wie schön, dass die dumme Weihnachtszeit vorbei ist. Denn
nach der Weihnachtszeit werden die Tage endlich wieder länger. Die
Finsternis, die den Morgen durchzieht, verliert an Dichte, das Weiß
des Bettzeugs wird langsam wieder kenntlich, die müde Hand muss nicht
weiter nach der Türklinke tasten. Und siehe, gleich ist sie nicht mehr
müde, die Hand, es strecken sich Finger, knacken Gelenke, explodieren
Gedanken. Sämtliche Synapsen sind erregt. Eine fließende Bewegung der
Arme, ein Fußtritt, und schon liegt der Panzer aus Lethargie, mit dem
wir uns durch die letzten Monate gewälzt hatten, in der Ecke.
Verrückt, dass alles so schnell umschlägt, und nur, weil man was sah,
als man am Morgen die Augen öffnete.
Aber das stimmt ja gar nicht! Man sieht jetzt überhaupt nicht mehr als
vor einer Woche. Am 22. Dezember war Sonnenaufgang um 8 Uhr 29, und am
28. Dezember um 8 Uhr 31, und auch am 31. Dezember wird die Sonne erst
um 8 Uhr 31 erscheinen. Also sind am Morgen zwei Minuten in der
Finsternis verschwunden. Warum nur erkennen wir dann so eine
Helligkeit? Warum ist das Kissen, das vor einer Woche noch
kohlrabenschwarz gewesen war, jetzt schneeweiß? Na, weil wir es uns so
und nicht anders vorstellen. Weil wir nicht wahrhaben wollen, auf
welch zähe Weise die Tage länger werden; 7:41 Stunden dauerte der
Weihnachtstag, 7:43 Stunden wird (weil ein bisschen später
Sonnenuntergang ist) der heutige Montag dauern. Niemand kann diesen
Unterschied tatsächlich spüren. Aber jeder kann ihn sich prima
einbilden. Es werde Licht! bat das geplagte Gemüt. Und es ward Licht.
Und ist das jetzt schlimm? Dass man sieht, was nicht ist? Je weniger
Ausbildung, je mehr Einbildung, sagt ein Sprichwort. Shakespeare stößt
ins selbe Horn. In den Schwachen, schreibt er, wirkt die Einbildung am
stärksten. Wie negativ das alles klingt, wie grausam. Als ob die
Wirklichkeit nicht ernüchternd genug wäre. Finster. Schweigend.
Einfach nicht reagierend auf die wunderbarsten Signale. Zum Beispiel
warten seit Tagen die europäischen Weltraumforscher auf irgendeine
Nachricht von Beagle 2, ihrem reifenkleinen Mars-Landegerät. Es meldet
und meldet sich nicht. Einer der Forscher verglich Beagle schon mit
einem Liebesbrief. Man habe ihn losgeschickt, aber ob man auch Antwort
erhalte? - Unbedingt, sagen wir, die der schönen Einbildung, der süßen
Vorstellung Verfallenen. Natürlich werdet ihr Antwort kriegen, habt
nur noch ein wenig Geduld. Gerade tagen die Marsmenschen. Sie umringen
euren Metallkreisel und verständigen sich über den Text, den sie
losschicken wollen. Einige streicheln mit ihren glibberigen Gliedmaßen
die Gerätewand. Die bei der Reibung entstehenden Töne werden ebenfalls
übertragen. Hört ihr sie schon? Könnt auch ihr sie hören?