(SZ) Aus doch irgendwie rätselhaften Gründen will der Mensch, vor
allem wenn er Japaner ist, immer Dinger bauen, die das, was der Mensch
sowieso kann, auch können. Schach spielen zum Beispiel. Wenn dann so
ein Apparat zum Beispiel tatsächlich Schach spielt, dann geschieht
regelmäßig zweierlei: Der Mensch freut sich einerseits diebisch, weil
es ihm gelungen ist, so ein Gerät zu konstruieren, andererseits ärgert
er sich teuflisch, wenn das Ding es auf einmal besser kann als der
Mensch selbst, wenn der Schachapparat also gewinnt. Urgroßvater all
dieser menschlichen Baumeister ist der sagenhafte Frankenstein aus
Ingolstadt. Sein Experiment endete fürchterlich. Das Wesen, das er
gebastelt hatte, wendete sich gegen ihn, der eigentlich dessen
beherrschender Meister sein wollte. So ist das mit dem Fortschritt. Es
gilt immer das Einerseits und zu gleicher Zeit eben auch ein
Andererseits. Man muss wachsam bleiben.
Seltsamerweise gelingen den modernen Menschennachbaumeistern
komplizierte Sachen offenbar leichter als auf den ersten Blick
einfache. Schach spielen zum Beispiel, das können die Maschinen. Oder
auch Gesichter erkennen. Sogar die Sprache, diese wundersame, den
Menschen vor allen anderen Lebewesen auszeichnende Fähigkeit,
beherrschen einige Geräte inzwischen schon ein bisschen. Vieles sonst
noch können sie, nur eines, etwas anscheinend Einfaches, konnten sie
nicht: das Laufen. Und zwar das richtige, das menschengemäße Laufen,
das auf zwei Beinen. Gehen konnten sie schon. Da bleibt immer ein Fuß
auf dem Boden, das ist also keine richtige Kunst. Beim Laufen ist der
Mensch ein Momentchen mit beiden Beinen vom Boden weg, entflieht der
Erdenschwere, schwebt sozusagen kurz. Das hat etwas erhaben
Erhebendes, etwas geradezu Göttliches. Das war den Maschinen immer zu
schwierig. Sie fielen einfach um. Laufen war ein Privileg des
Menschen.
Bislang. Japanische Baumeister der Firma Sony haben jetzt einem
Androiden das Laufen beigebracht. Qrio, so heißt das blecherne Wesen,
ist in seinem Lauf immer wieder 40 Millisekunden mit beiden Beinen in
der Luft, fünf Millimeter hoch. Drei Meter weit kann Qrio rennen, mit
einer Geschwindigkeit von 14 Metern pro Stunde. Ein Anfang immerhin.
Aber wie wird das alles enden? Qrios Kinder und Enkel werden immer
weiter, immer schneller laufen. Sie werden uns weglaufen.
Schachcomputer schlagen bereits Weltmeister. Olympische Spiele sehen
wir heraufkommen, bei denen Blech gegen Blech antritt. Wer läuft, der
kann bald auch hopsen, springen, werfen. Qrio kann übrigens schon
Basketball. Wird es Blechdoping geben? Ein Tröpfchen Öl mehr als
erlaubt? O schöne neue Welt! Wieder werden wir von einer Strapaze
befreit sein. Wir lassen laufen: in mächtigen Fortschritten.