(SZ) Auf Ross-Island in der Antarktis gibt es ganz, ganz viele
  Pinguine und ganz, ganz viel Eis, jedoch so gut wie keine
  Kieselsteine, und das wiederum ist ein Problem für die vielen Pinguine
  auf dem ganzen Eis. Sie brauchen nämlich die Steine zum Nestbau. Was
  also tut ein Weibchen, welches nicht genug Steine hat? Es scharwenzelt
  zu einem, nun ja, steinreichen Männchen. Wie beiläufig erscheint es.
  Weist mit träumerischer Geste auf den gerade besonders blauen Himmel.
  Streift wie zufällig das feuchte Fell des Männchens. Stöhnt, es habe
  in der Nacht so schreckliche Träume gehabt. Da knickt der
  standhafteste Pinguin ein. Saharaheiß glüht der Schnee unter seinen
  Patschefüßen. Versonnen legt er seine Flügelflossen um ihre Hüfte. Er
  macht himmlisch schöne Liebe mit ihr, und nie, nie, nie käme ihm der
  Gedanke, sie habe sich angeboten. Erobert hat er sie, dank seines
  blendenden Aussehens, dank seiner famosen Ausstrahlung. Und als sie
  nach dem Akt sich schnell von ihm löst und ein paar Steine aufklaubt,
  merkt er noch immer nichts, der kleine Depp, so sind sie, wenn man sie
  nur bauchpinselt, die Männchen da unten auf Ross-Island.

  Fiona Hunter, Zoologin aus Cambridge, hat jene
  Pinguinsteinsammelmethode gerade wissenschaftlich beschrieben. Was für
  ein Stoff: Liebe auf Kieseln. Neben Kieseln. Wegen Kieseln. Natürlich
  muss man jetzt weiterfabulieren über diese Steine. Wie viele Texte
  gibt es schon über die Liebe, und wie wenige über die Kiesel! Dabei
  kann man sie sehen und hören, ja, kein schöneres Geräusch als das der
  Kiesel am Meeresrand, die gurgeln, brummen, klirren, alles in einem,
  wenn das Wasser vom Strand zurückströmt, die Steine umspülend und
  umgarnend. Die Welle ruft, die Steine antworten, und wir lauschen,
  auch jetzt im Winter, gerade jetzt. Erscheint nicht alles klarer,
  jeder Ton, jedes Bild, wenn keine Sonnencreme in der Luft klebt?

  Nun aber gut. Ist ja nett im Winter an der See. Und doch ist es gar
  nichts im Vergleich zum Sommer, zur Hitze. Warm und, trotz seiner
  Härte, weich liegt der Kiesel in der Hand. Man kann ihn ins Wasser
  werfen und hinterherrennen. Kann ihn zwischen die Zehen nehmen und auf
  den Fersen laufen. Kann ihn jemandem auf den Bauchnabel legen.
  Natürlich muss es ein Kiesel sein, der genau in den Bauchnabel passt.
  Es ist eine Aufgabe, so einen zu finden. Aber wenn man ihn erst mal
  hat, geschieht alles Weitere von allein. Der Bauchnabel kichert, der
  Kiesel rollt aus der braunen Kuhle in den goldenen Sand, oh ja, was
  sich hier anbahnt, wird rein wie das Wasser in der Antarktis und ganz
  ohne Berechnung sein, wie sonst nur im Film. Obwohl, es gibt böse
  Filme. "Ich hab noch nie in meinem Leben für Sex bezahlt", sagt Woody
  Allen in Schatten und Nebel zu Jodie Foster, und Jodie Foster
  antwortet: "Ach, Kleiner, das bildest du dir nur ein!"