(SZ) Regieren ist grausam, Opposition macht Spaß. Da reist unser
Kanzler also hochstrapaziös durch China, muss als rastloser
Exportkaufmann zweifelhafte Geschäfte einfädeln, mit zweifelhaften
Partnern - und kann schon froh sein, dass es immerhin den zu Maos
Zeiten noch obligatorischen Spucknapf nicht mehr gibt, jedenfalls
nicht bei Staatsbesuchen. Schröders Leben, ein trauriges Leben - die
Not des Handlungsreisenden. Und was die Sache noch bitterer macht:
Während der Mann in der Ferne für uns alle rackert, erobert daheim, im
lieblichen Leipzig, die tückische Opposition die Herzen der Wähler.
Wobei wir jetzt nicht von den Minnesängern der holden Marktwirtschaft
reden, von Herzog also und von Merkel, Herzogs Töchterlein, sondern
von Friedrich Merz, dem großen Zahlenzauberer. Der die CDU und ganz
Deutschland mit seinem neuen Steuersystem total verhext hat. Drei
Steuerstufen nur noch soll es geben, 12, 24 und 36 Prozent. Der
Vorschlag überwältigt jeden, und zwar sofort. Aber kaum einer fragt,
warum.
Es ist die Pflicht, ja das Hochamt der Experten, die Ideen des Merz
finanzpolitisch und auch steuertechnisch zu bewerten. Weitaus
erregender aber sind die magisch-psychologischen Dimensionen des
Projektes. Merz trifft ins Herz, weil er auf ein altbewährtes
Zaubermittel vertraut: auf das Geheimnis der Zahl Drei. Drei
Steuerstufen also. Und jede von ihnen (12, 24, 36) ein Vielfaches der
Drei. Damit hat Merz (das Geniale ist bekanntlich immer ganz einfach)
das Steuerrecht mit dem Mythos kühn verknüpft. Denn wo sie gut ist,
unsere leider zumeist schlechte Welt, folgt sie dem guten Dämon der
Zahl Drei. Was wäre die Musik ohne die harmonische Macht des
Dreiklangs? Was die Religion ohne die Heilige Dreifaltigkeit und die
Heiligen Drei Könige? Was die Malerei ohne das Triptychon? Was das
Theater ohne die "Drei Schwestern"? Vom deutschen Schlager ("Mein Hut,
der hat drei Ecken") oder vom deutschen Kino ("Die drei von der
Tankstelle") nicht zu reden. Auch im Leben selber beginnt das wahrhaft
Erfreuliche erst mit der Zahl Drei. Ein Mensch allein heißt
Einsamkeit. Zwei Menschen, das heißt Zwietracht. Mit dem Dritten aber
im Bunde ("Ich sei, gewährt mir die Bitte . . .") kommen endlich
Freundschaft und Seelenfrieden an die Macht. Natürlich kennt ein Mann
wie Merz solche Zusammenhänge ganz genau.
Und Schröder, unser armer Schröder? Hatte drüben in China wenigstens
einen einzigen glücklichen Moment. Als er mal nicht mit den Dynamikern
aus der deutschen Wirtschaft oder den Despoten aus der chinesischen
Politik reden musste. Als er allein in seinem großen Hotelbett lag und
plötzlich Besuch bekam. Drei Männer traten herein und brachten dem
Kanzler ein nächtliches Ständchen. Drei Chinesen mit dem Kontrabass.