(SZ) Es ist wieder einmal eine ganz große Schadenfreude ausgebrochen.
"Stöhn und Ächz", hieß es bei n-tv, "Tatterlake" textete die
Frankfurter Rundschau, und im Bayerischen Rundfunk höhnte man, dass
"der Lack ab" sei. Der allgemeine Spott richtet sich auf die
Kakerlake, vor der man doch sonst so etwas wie heiligen Respekt hat,
weil sie, einem wissenschaftlichen Gerücht zufolge, als einziges
Lebewesen in der Lage ist, einen Atomschlag zu überleben. Wie sie das
anstellt? Keine Ahnung, wahrscheinlich hält sie sich, wie man das in
Zeiten des Kalten Krieges gelernt hat, eine Tageszeitung über den
Kopf. Muss ja nicht ausgerechnet die Rundschau sein. Fähigkeiten wie
diese prägen sich ein, mit der Folge, dass die übrigen Lebewesen zu
der Überzeugung gelangten, die Kakerlake habe auch ohne Atombombe das
ewige Leben: Hockt hinterm Ofen, das Luder, wie vor tausend Jahren,
und wird dort auch noch hocken, wenn wir anderen längst verweht sind.
Dass sie fruchtbar ist bis zur Grausigkeit, sei am Rande angemerkt.
Ein einziges Weibchen bringt angeblich soviel Nachwuchs hervor, dass
in eineinhalb Jahren hundert Fußballfelder damit fußhoch zu bedecken
wären.
Umso leichter hat es nun der Spott. An der Case Western Reserve
University von Cleveland/Ohio haben Forscher herausgefunden, dass
hochbetagte Kakerlaken entschieden tatterig werden, "decidedly
doddery", wie der New Scientist die Diagnose formulierte. Ihre Gelenke
sind eingerostet, sie tun sich schwer beim Erklettern von Steigungen,
und zu allem Überfluss haben sie, wenn man sie auf einem Laufband
gehen lässt, ein ernsthaftes Problem mit der Koordination ihrer Beine,
die bei sechs Beinen ohnedies kompliziert genug sein dürfte. Daran
sollten wir Zweibeiner vielleicht denken, wenn wir nachts wieder mal
in die Küche kommen und die Kakerlaken, die schließlich auch nur eine
Kleinigkeit beißen wollten, wie die Geister davonstieben sehen: So
eine Lauftechnik will gelernt sein!
Übrigens ist die Kakerlake das einzige Tier, das jeder von uns auf
Spanisch nennen kann: la cucaracha. Dabei hat es mit dem alten
mexikanischen Lied insofern eine eigenartige Bewandtnis, als darin
ebenfalls vom Gehen der Kakerlake die Rede ist: "La cucaracha, la
cucaracha, / ya no puede caminar, / porque no tiene, porque la falta /
Marijuana che fumar." Locker übersetzt heißt das, dass die Kakerlake
nicht mehr gehen kann, weil sie kein Marihuana zu rauchen hat. Auf der
einen Seite also eine schwere Rauschgiftabhängigkeit, auf der anderen
die Alterswehwehchen, die wir Menschen nur zu gut kennen. Und: Sie
lebt nicht ewig! In Kakerlakenkreisen hat man auf die Neuigkeiten
bereits reagiert. Die Seite www.kakerlaken.de wird "z. Zt.
überarbeitet", und es sollte uns wundern, wenn den Kakerlaken zu all
dem nicht wieder etwas ganz Apartes einfiele.