(SZ) Neben den regulären Teilen der Bibel gibt es, wie die Kenner
  wissen, allerlei apokryphe Schriften, darunter auch die etwas andere
  Schöpfungsgeschichte, die "Pseudo-Genesis". Sie weicht in einigen
  Details erheblich von der gängigen Version ab, insbesondere im ersten
  Kapitel, das damit beginnt, dass die "Chöre", also die Engel, beim
  Erzengel Michael zusammenkommen und über ein rätselhaftes Phänomen
  beraten. "Was brummt'n da dauernd so?", fragt einer, und: "Genau, das
  ist ja nicht mehr auszuhalten", ruft ein anderer. Die Sache wird
  schließlich durch Gabriel geklärt, der die Runde dahingehend
  informiert, dass der Herr darangehe, Welt und Kosmos zu erschaffen,
  und dass es dabei nun einmal brumme - übrigens kaum hörbar. Damals
  wurde für Hans Carossa die Verszeile "Wir hören's nicht, wenn Gott
  beim Schaffen brummt" hinterlegt, die der feinsinnige Dichter aber so
  wiedergab: "Wir hören's nicht, wenn Gottes Weise summt."

  Die Anhänger der alternativen Schöpfungsgeschichte, ein durch die
  Naturwissenschaft gründlich verschrecktes Häuflein, hat dieser Tage
  Grund zu freudigem Jubel. Wie der Physiker John Cramer von der
  University of Washington in Seattle herausfand, entstand unser Weltall
  nicht mit einem Knall, dem sattsam bekannten Urknall, sondern unter
  einem Urbrummen, das so ähnlich klingt wie das eines Flugzeugs, das
  nachts in dreißig Metern Höhe über ein Haus fliegt. Der Vorgang als
  solcher scheint sich beim Urbrummen freilich genauso abgespielt zu
  haben wie beim Urknall, nur dass eben die Begleitmusik wesentlich
  freundlicher war. Die Prozedur ging ungefähr so: Zunächst war das All
  unendlich heiß und dicht auf unendlich kleinem Raum konzentriert, um
  dann "ur"-plötzlich auseinander zu stieben. In Anlehnung an den Big
  bang schlagen wir für das Urbrummen den Terminus Big hum vor, da Big
  grumble auf Gott persönlich bezogen werden könnte, so als ob er
  gegrummelt hätte. Vielleicht sind wir da aber zu zimperlich. Im
  Baltikum entstand der Vers "Als Gottes Atem leiser ging, schuf er den
  Grafen Keyserling", und in ihm liegt ein tiefes Wissen darum, dass der
  Schöpfer notfalls auch sehr laut atmen kann: das Urbrummen.

  Ob aus der neuen Kosmogonie wohl Schlüsse aufs Weltende zu ziehen
  sind? Man muss da vorsichtig sein, weil man schnell in die Gefahr
  gerät, kalauernd zu werden und zu sagen, dass beim Jüngsten Gericht
  der Menschheit das aufgebrummt wird, was sie verdient, oder dass die
  Verdammten danach hübsch lange in der Hölle würden brummen müssen. Bei
  der Gelegenheit fällt uns wieder einmal die große Stadt Berlin ein,
  von der es ständig heißt, dass sie brumme - und wie! Daran schließt
  sich wie von selbst die Frage an, ob Berlin dabei ist, eine neue Welt
  zu schaffen, oder ob sie nur so brummt, wie Glühlampen manchmal
  brummen. Dann brennen sie bald aus.