(SZ) Theologen, Bischöfe und andere Schriftgelehrte wähnten wir
höherenorts beschäftigt: mit dem Abheften diverser römischer
Sendschreiben oder dem Studium des Breviers, dabei hin und wieder
einen Blick in den neuesten Küng riskierend oder, Gipfel des Wagemuts,
von den streng verbotenen Wonnen des Thomas-Evangeliums nippend. Doch
was ahnen wir Kleingeister von den heroischen Aufgaben, die den
Seelenhirten umtreiben, heute mehr denn je? Den Mühseligen und
Geplagten hat er beizustehen, den Sündern, den Zöllnern, den Huren und
all dem Gelichter, vor dem die außerkirchliche Wohlanständigkeit nur
die Nase rümpft. Der Herr nämlich liebt seine Schafe ganz besonders,
wenn sie in die Irre gehen. Sie müssen sich danach nur heimführen
lassen.
Nun kann auch der Frömmste nicht von morgens bis abends dem Studium
der Summa theologica obliegen, und so fiel dem Kölner Erzbischof
Joachim Meisner beim zufälligen Herumstudieren der moderne Klassiker
"Nichts als die Wahrheit" in die Hände. Der fromme Mann las und las
weiter. Las zu seiner und unserer Überraschung eine "öffentliche
Beichte", und im Beichtkind, das da weniger bereut als bekennt,
entdeckte Meisner eine "verwundete Seele, die nach Absolution
schreit". Diese Deutung wird dem auctor (wenn auch nicht Verfasser)
des in theologischer Hinsicht eher unerheblichen Werkes neu sein; sie
spricht auch nicht unbedingt für das hermeneutische Talent des Herrn
Bischofs. Dieter Bohlen klingt nämlich nicht besonders verwundet, wenn
er seine Lebensbeichte in der ebenso handlichen wie weltlichen
Botschaft "Haste Geld, haste Frauen, haste Autos" zusammenfasst und
wenn er den Leser, also auch Bischof Meisner, mit einem wenig
englischen Gruß willkommen heißt: "Hier bin ich, leckt mich alle! Euer
Dieter".
Gleichwohl ist der Kölner Beichtiger nicht genug zu preisen für sein
Einfühlungsvermögen. "So eine verwundete Seele muss ausbluten und sich
reinigen, damit sie heil werden kann", besänftigt der freundliche
Bischof die vielen Herrschaften, die sich durch Bohlens
Bekenntnisdrang angegriffen fühlen. Bohlen selber folgt dem hohen Rat
und hat, wenn auch ohne geistlichen Beistand, seine Seele inzwischen
in ein weiteres Buch geblutet. Das hilft, denn im Himmel ist wie auf
Erden mehr Freude über den fröhlichen Sünder als über den
sauertöpfischen Gerechten, der seiner Lebtag auf dem Weg der Tugend
wandelte. Und Bohlens Sünden? Der doppelte Penis-Bruch? Die
Vielweiberei? Joachim Meisner würde Dieter Bohlen vielleicht ganz gern
die Beichte darüber abnehmen, doch hat der schon alles gegeben und
alles gebeichtet. Dem Manne ist bereits hier unten vergeben. Nur seine
Musik, und da hilft kein Bischof und kein Papst, seine Musik ist
unverzeihlich.