(SZ) Wenn er das noch hätte erleben dürfen, der Schreibwarenhändler
aus dem kleinen Ort Saint-Céré im Département Lot. Nicht
ausgeschlossen, dass er darin die Chance für ein politisches Come-back
erkannt hätte, zumal alte, zornige Männer wie er es schon immer
wussten und gegen einen steuergierigen Staat aufbegehrten, der es nur
darauf anlegt, kleine Leute wie seinesgleichen in den Ruin zu treiben.
Leider ist Pierre Poujade im August im Alter von 82 Jahren gestorben.
In den fünfziger Jahren, als die Welt noch halbwegs in Ordnung war
(zumindest für Frankreich lässt sich das vermuten), war Poujade der
Chef einer mächtigen politischen Bewegung. Die von ihm gegründete
"Union de défense des commerçants et artisans", eine als politische
Partei firmierende Interessenvereinigung von Ladenbesitzern und
Handwerkern, war 1956 in der französischen Nationalversammlung mit
immerhin 52 Abgeordneten vertreten, darunter auch ein gewisser
Jean-Marie Le Pen.
Es war alles vergebens. Am Montag streikten in Frankreich die über
dreißigtausend staatlich konzessionierten Tabakläden, die buralistes.
Der Grund? Die Regierung hat die Zigarettensteuer um bis zu 20 Prozent
angehoben, was ein Päckchen Gauloises oder Gitanes wenigstens 4.60
Euro kosten lässt. Die buralistes bangen nun - und wer wollte ihnen
dies verdenken - um ihre wirtschaftliche Existenz, denn das war schon
die zweite Steuererhöhung für Zigaretten in einem Jahr, und die
nächste ist bereits für Anfang kommenden Jahres geplant.
Was soll nur aus Frankreich werden, dessen Seele sich, wie jeder
Filmfreund weiß, vor allem im blauenden Gewölk einer Zigarette
vermuten ließ? Als Nichtraucher gingen allenfalls Komiker wie Louis de
Funès durch. Aber die echten Kerle, die Kommissare und Gangster nicht
nur des film noir, Jean Gabin, Jean Paul Belmondo, Michel Piccoli,
Alain Delon, Lino Ventura und, nicht zu vergessen, Maurice Chevalier:
Was wären die ohne Glimmstengel? Bisweilen unterstrich die Marke, die
einer rauchte, sogar das Rollencliché. Zuhälter bevorzugten "blonde"
Zigaretten mit Korkmundstück, während die bodenständig Guten oder
Bösen auf den schwarzen, starken Tabak schworen, den Caporal.
Selbstverständlich filterlos, da nur solche Fluppen an der Unterlippe
kleben bleiben. Und was soll aus dem französischen Chanson werden?
Sich Yves Montand oder Serge Gainsbourgh ohne Zigarette auf der Bühne
vorzustellen - undenkbar. Nein, nicht nur die buralistes sind in ihrer
Existenz bedroht, die ganze französische Kultur ist es, von der dito
Lebensart nicht zu reden! Aber wie dieser vorhersehbaren Katastrophe
begegnen? Wer, wenn nicht Pierre Poujade, mit dem als Kulturminister
unvergessenen André Malraux in einer union sacrée vereint, könnte
solch ein Wunder wirken?