(SZ) Als junger Mönch war er, einem Zeitgenossen zufolge, "fast nur
Haut und Knochen", doch als Martin Luther dann etabliert war und in
Wittenberg zusammen mit dem "Herrn Käthe", also seinem Eheweib, ein
gastfreies Haus führte, mag er ein durchaus wohlgenährter Herr gewesen
sein. Damals wurde es Brauch unter seinen Gästen, dass sie Papier und
Feder mitbrachten und alles mitschrieben, was er sagte. Einmal sah der
Doctor Martinus das Vieh auf der Weide, und sogleich fiel ihm dazu
etwas ein: "Da gehen unsere Prediger, die Milchträger, Butterträger,
Käseträger, Wollenträger, die uns täglich predigen den Glauben gegen
Gott, dass wir ihm, als unserem Vater, vertrauen sollen, er sorge für
uns und wolle uns ernähren." Die Aufregung in der Runde kann man sich
vorstellen: "Hast du das?" - "Nö, den Anfang hab ich akustisch nicht
verstanden." - "Er sagte, dass da unsere Prediger gehen." - "Wer? Die
Kühe?" - "Exakt." - "Hm, komisch."
Kann man zu Luther noch Neues sagen? Diese Existenzfrage der
Lutherforschung hat nun abermals eine Antwort erhalten, so wundersam,
dass man dem Himmel dafür danken möchte. Dabei kommt sie aus der Erde,
genauer gesagt aus einer 500 Jahre alten Abfallgrube nahe dem
Elternhaus des Reformators in Mansfeld. Dort fanden sich allerhand
Spielsachen sowie eine bedeutende Menge von Rinder-, Schweine- und
Geflügelknochen, außerdem Fisch- und Singvögelköpfe. Man schließt
daraus, dass es bei Luthers zu Hause nicht so kärglich zuging, wie die
legendenbildende Verehrung das gern sähe: Man konnte sich was leisten
respektive ließ es, wie wir heute sagen, krachen. Muss etwas
umgeschrieben werden? Wohl kaum, aber man weiß jetzt möglicherweise
besser, warum Luther immer sehr zuversichtlich war, dass Gott unseren
Körper, den "armen Madensack", schon würde füllen und ernähren können.
Dass Martin Luthers berühmtestes Wort, das notorische "Was rülpset und
furzet ihr nicht", in der Mansfelder Grube ihren Ursprung hat, darf
als wahrscheinlich, ja gesichert gelten.
Wie man weiß, liebte Luther die Musik ausbündig. So verwundert es
nicht, dass die Grube auch eine fünf Zentimeter lange Trillerpfeife
von sich gab, gefertigt aus dem Knochen einer Gans. Darauf wird der
kleine Martin gepfiffen haben, und man möchte wetten, dass der reife
Luther im oben zitierten Tischgespräch neben den Milch-, Butter-,
Käse- und Wollenträgern auch die Daunenträger erwähnte und dabei so
seltsam trällerte, dass die Mitschreiber dieses Detail vorsichtshalber
übergingen. Die Murmel aus braunem Ton, die ebenfalls in der
Abfallgrube lag, gibt vorderhand noch Rätsel auf - unserer Kenntnis
nach kam Luther auf sie später nie mehr zurück. Hätte man statt der
Murmel ein Tintenfass gefunden, wüsste man sofort, was der junge
Luther damit heimlich übte.