(SZ) Die Katastrophe besteht einfach darin, dass sogar der Mensch
  grundsätzlich und unausweichlich alt wird. Daran gibt es nichts zu
  rütteln. Gut, man kann es ignorieren, bis die Zähne ausfallen.
  Vollglatzen mag man sich in ewigem Optimismus als Modegag schönreden,
  nachlassende Mannes- und andere Kräfte lassen sich womöglich als
  psychische Störungen und Verhaltungen kaschieren - am Ende heißt es
  doch immer: "A Kreiz is mit de oidn Männer, wenns nimmer kenna!/ A
  Kreiz is mit de oidn Weiber, wenns stehbleim, gengans nimmer weider.
  Halleluja!"

  Zu all den auf dem Weg zur Bahre unvermeidlichen Stationen des
  Einschrumpelns, der Linsentrübungen, Zahnersätze und
  Gesundheitsschuhe, der Herzschrittmacher und Gehhilfen kommt ein
  Problem, von dem der junge Mensch glaubt, es werde nie eine Rolle
  spielen: die Langeweile. Wer sich aber längst durch die eigene
  Bibliothek gelesen, wer an allen Rüstigkeitstests für Rentner
  teilgenommen, wer goldene Sportabzeichen mit Richard von Weizsäcker
  erkämpft hat, mit Leni Riefenstahl getaucht und mit Max Schmeling in
  den Ring gestiegen ist, wer alle Traumreisen und Kreuzfahrten von
  Mallorca bis zu den Malediven gemacht hat, kennt jene Schwelle, hinter
  der das fade "Was nun?" droht. Selbstverständlich glänzte man in den
  Rollen von lieben Großmüttern oder -vätern, gab den guten Onkel oder
  die nette Tante, zur Abwechslung auch mal den alten Grantler oder die
  böse Ratschkathl. Testamente wurden gemacht und vollstreckt, man hat
  geerbt und verschenkt, kurz: dem in einschlägigen Broschüren immer als
  wohlgeordnet und sorgenfrei angepriesenen Lebensabend im Altersheim
  steht nichts mehr im Wege.

  Irgendwie unfrisch, das Ganze, mag da mancher denken und die
  Langeweile in sich hochkriechen fühlen, und manche Wut, die man als
  Jüngerer munter verdrängte. So ähnlich wird es J. L. "Red" Rountree
  gegangen sein in den Tagen kurz vor seinem 87. Geburtstag im Dezember
  1998. Red geht am Stock und trägt ein Hörgerät. Damals jedenfalls
  beschloss Red, seinem aufgestauten Frust nachzugeben. Er machte sich
  auf und überfiel eine Bank in Biloxi, Mississippi. Er wurde sofort
  gefasst, zu drei Jahren Bewährung, 260 Dollar Geldstrafe und zum
  Verlassen des Staates Mississippi verurteilt. Kein Jahr später fand
  Red das Leben wieder unfrisch und beraubte in Florida eine Bank. Die
  Quittung: drei Jahre Gefängnis, er war Floridas ältester Häftling. Auf
  die Frage, was er nach der Freilassung vorhabe, sagte er: "Ich muss
  wieder eine Bank berauben." Hey, im vergangenen August schlug er in
  Texas zu. Warum er das tut? Er habe einen generellen Hass auf Banken,
  sagt Red. Jetzt drohen 20 Jahre Haft. Wenn es denn einen Trost gibt,
  dann den: Red wird wohl nicht die volle Zeit absitzen müssen.