(SZ) Er galt als Meister "der kleinen Schriften", als
Kaffeehaus-Literat und Schnorrer. Anton Kuh, 1890 in Wien geboren,
immer in Geldnot, 1941 in New York gestorben - an gebrochenem Herzen,
wie es heißt, weil Hitlerdeutschland noch ungebrochen war. Viel zu
früh, um noch auf einer Frankfurter Buchmesse aufzutreten, obwohl Kuh
immerhin mit eigenen Texten hätte brillieren können. Zum Beispiel mit
einer Geschichte, die sich 1916 in den südlichen Kronlanden der
Monarchie abspielte, überschrieben "Die Narren von Görz". In der
Einleitung steht: "Damals gehörte die Stadt Görz (Goricia) noch zu
Österreich. Infolgedessen befand sich in ihr ein Irrenhaus." Die
Geschichte handelt davon, dass Görz wegen des heranrückenden Feindes
evakuiert werden muss. Die 60 Patienten der Heilanstalt werden
notdürftig in einer Baracke untergebracht, von wo sie für immer
verschwinden, weil der Baracke noch die Rückwand gefehlt hatte. Wer
weiß, vielleicht liefen sie nach Wien oder nach München oder . . .
In Frankfurt hat jene Frau ihr literarisches Erstlingswerk
vorgestellt, die nach anerkanntem Komment beim Vornamen genannt werden
darf. Das Buch dieser Verona heißt "Der kleine Feldbusch". Der Inhalt
handelt von einer Schwangerschaft und ist noch einigermaßen geheim.
Ein Kapitel lautet: "Mein Busen spielt total verrückt." Wie das genau
ablief, darüber muss vorderhand spekuliert werden. Eine Theorie geht
dahin, dass der Busen dermaßen außer Rand und Band geriet, dass die
Fernsehanstalten gar nicht anders konnten, als ihn mitsamt seiner
Besitzerin immerfort zu zeigen. Phänomene dieser Art sind wohl von
öffentlichem Interesse. Wenn es noch Interessanteres gibt, dann
allenfalls die Geschichte eines minderbegabten Sängers und
Schlagerproduzenten, der es mit Frechheit zu Ruhm und Reichtum bringt.
Oder das Leben einer Frau, die lange Zeit mit einem Alkoholiker
verbringt; das verbindet ihr Schicksal zwar mit dem vieler anderer
Frauen, diese haben aber nicht die Möglichkeit, ihr Elend richtig zu
vermarkten.
Was das Ganze mit Anton Kuh zu tun hat und der Stadt Görz? Nicht viel,
außer dem Schluss, dass sich die 60 Narren seitdem weit über Wien
hinaus verstreut und vermehrt haben müssen. Irrenhäuser gibt es nicht
mehr, gottlob, solche Einrichtungen heißen nun anders. Es gibt aber
Fernsehanstalten, die ihre beste Nachrichtenzeit und die schönsten
Sendeplätze solchen Buchautoren widmen, die ein belangloses Leben
führen, welches zu beschreiben sie selbst dann nicht fähig wären, wenn
es etwas von Belang mitzuteilen gäbe. Daran muss die Welt nicht so
schnell zu Grunde gehen. Anton Kuh aber, das ist zu befürchten, würde
kaum besser reüssieren als zu seiner Zeit. Viel war ihm gegeben, aber
kein Busen, der verrückt spielt.