(SZ) "Es ist diese verdammte Schmuserei." Der das jetzt sagte, war
kein erboster Vater, dessen ledige Tochter zum dritten Mal schwanger
ist und nicht weiß, warum, und es war auch kein fürs Moralische
zuständiger Kardinal, denn die drücken sich anders aus. Nein, es war
der Zirkusmann Gerd Simoneit-Barum, und er spielte damit auf das
unglückliche Rencontre an, das der Zauberkünstler Roy Horn kürzlich
mit "Montecore" hatte, seinem weißen Tiger. Demnach wäre der Unfall
die natürliche Folge der weit weniger natürlichen Entwicklung, dass
man vom peitschenschwingenden Dompteur wegkommen wollte - hin zum
Partner und Kameraden der Tiere. Von da aus ist es kein weiter Weg
mehr zu der Knutscherei in der Manege, die eine gewisse Ähnlichkeit
hat mit den Knutschereien unter Kollegen und Geschäftsfreunden:
Sublimierung des Triebs, einander an die Gurgel zu gehen.
Was das Schmusen mit Tieren generell angeht, sollte man, so
übertrieben es klingen mag, in etwas tiefere Gründe hinabsteigen. Im
Stern hieß es einmal: "Ich kann mit ihnen schmusen, ohne dass sie
sexuelle Anforderungen stellen." Das bezog sich zwar auf die Pferde,
gilt aber ebenso für Pudel, Meerschweinchen, Kanarienvögel und
Elefanten, nicht zu reden von weißen Tigern. Nicht, dass ihnen das
Triebleben fremd wäre, das nun wirklich nicht, da kann sich der Tiger
vom Meerschweinchen möglicherweise sogar noch eine Scheibe
abschneiden! Das Tier entwickelt jedoch, wie schon der alte
Kirchendompteur Augustinus wusste, keine Leidenschaft im Sinne einer
Passion des Herzens, weswegen Tiere auch nicht sündigen und danach
elend sein können. Beneidenswert? Man kann das so oder so sehen. Wie
auch immer, unbestritten ist wohl, was im 3. Buch Mose geschrieben
steht: "Du sollst bei keinem Tiere liegen", wobei mit "liegen" nicht
liegen gemeint ist, sondern das, was dem Schmusen, manche sagen dafür
Kuscheln, nicht selten zu folgen pflegt.
Andererseits die Kinder. Wie man hören kann, fördert es ihr
Sozialverhalten sehr, wenn sie mit Tieren engeren Kontakt haben. Die
Zoos halten für diesen Zweck freilaufende Zwergziegen vor, die oft
selbst kaum wissen, wie ihnen geschieht, so dringlich werden sie von
den Kleinen durch- und hergestreichelt. Für Leute, die am Land
aufgewachsen sind, hat das etwas Bemühtes, ja Lächerliches, und darum
sind Leute vom Land auch nur schwer fürs Bussi-Zeremoniell zu
gewinnen. Ihrem sicheren, dem frühen Umgang mit Schweinen, Hühnern und
Ochsen abgewonnenen Gefühl nach reicht es aus, sich kontaktfrei zu
begrüßen, allenfalls per Handschlag, in dem Nähe und Distanz vereint
sind. Dies, wie gesagt, Erfahrungen vom Dorf. Weiße Tiger gab es dort
nicht, sodass auch nicht zum Handschlag mit ihnen geraten werden kann,
jedenfalls nicht guten Gewissens.