(SZ) Man kann gegen die Regierung viel sagen, nicht aber, dass ihre
herausragenden Repräsentanten nicht korrekt angezogen wären. Zwar hat
der Bundeskanzler seinen angeblich einzigen Brioni-Anzug ins Museum
gegeben, aber trotzdem wirkt er für einen Mann mit einer Problemfigur
- untersetzt, kurze Beine - kleidungsmäßig doch fast immer deutlich
seriöser, als er es möglicherweise ist. Joschka Fischer wiederum, der
graumelierte Herr Deutschland, steht gut da im italienischen Tuch.
Bedenkt man noch, dass er gerne Unterhosen von Tchibo trägt und in
seiner kargen Freizeit außerordentlich schlunzig (Adiletten,
Kartoffelsack-Shorts) herumläuft, wird deutlich, dass sich die
vielschichtige Persönlichkeit des Ministers auch in seinen äußeren
Hüllen widerspiegelt. Bis hin zu Schnitt und Farbe der Haare (nein,
wir behaupten nicht, dass der Kanzler . . .) wahren beide zumindest
äußerlich das Ansehen der Regierung.
Bei ihren Mitarbeitern allerdings ist das so eine Sache. Fischer zum
Beispiel hat einen kundigen Sprecher, der unter Eingeweihten gerne
"die alte Frau Lindner" genannt wird. Der Vortragende Legationsrat
Walter Lindner trägt hinten am Kopf sein borstiges Schwarzhaar zu
einem knotigen Pferdeschwanz gebunden. Für einen Diplomaten männlichen
Geschlechts ist das ungewöhnlich. Dabei hat Lindner noch Glück: Wäre
er ein Polizist in Rheinland-Pfalz, müsste er sich des Pferdeschwanzes
entledigen. In Koblenz hat gerade ein Gericht entschieden, dass ein
Polizist stets das Ansehen der Polizei zu wahren habe und deswegen ein
korrektes äußeres Erscheinungsbild aufweisen müsse. Sehr frei nach
Alice Schwarzer entschied das Gericht im Falle eines gegen eine
entsprechende Anordnung klagenden Ordnungshüters: Schwanz ab oder
nicht Polizist.
Nu jaja, nu neenee möchte man da mit Gerhart Hauptmanns Webern sagen.
Das Ansehen der Polizei hängt nicht am Pferdeschwanz. Außerdem ist es
sexistisch, wenn Polizistinnen Pferdeschwanz tragen dürfen, Polizisten
aber nicht. Weder hindert die Schwänzung des Haupthaars an der
Ausübung des Dienstes, noch sieht ein Pferdeschwanz weniger korrekt
aus als zum Beispiel die unter Polizisten und anderen Männern
verbreitete Glatzenbedeckungsmatte: Bei gelichtetem Oberhaar lässt man
sich lange Strähnen an der Seite wachsen, die dann als Camouflage über
die kahlen Stellen drapiert werden. Dabei handelt es sich um eine
Straftat - Vortäuschung falscher Tatsachen - und außerdem sehen solche
Köpfe bei jedem Windstoß wie verstörte Trauerweiden aus, sind also der
Wahrung des Ansehens jedwelcher Institutionen enorm abträglich. An die
Glatzenverstecker, Schnurrbartisten und Vollbartträger traut sich
leider niemand heran. Sie sind die regierende Kaste in Gerichtssälen
und Polizeirevieren.