(SZ) Wer herausfinden will, wie intelligent er ist, der gehe auf einen
Markt oder irgendwohin, wo er eine Lebensmittelwaage findet. Er drehe
an seinem Hals wie an einem Flaschengewinde, entgegen dem
Uhrzeigersinn, ohne zu verkanten. Ist der Schädel vom Rumpf gelöst,
übergebe er ihn dem Metzger oder dem Gemüsefritzen, der ihn, ganz wie
einen Kohlkopf, auf die Waage rollen kann. Mit einer wedelnden
Handbewegung bitte man nun den Metzger oder den Gemüsefritzen, das
Gewicht abzulesen.
Die Bewertungsformel ist so einfach wie logisch: Je schwerer das
Gehirn (und je größer der Kopf, in dem es steckt), umso intelligenter
der Mensch. Jedoch war es ein weiter Weg bis zu dieser Erkenntnis. Der
Mann, dem wir die ersten Schritte verdanken, hieß Francis Galton und
war ein Halbvetter Darwins. Nachdem er seine Mitmenschen lange genug
in Augenschein genommen hatte, kam er zu der Vermutung, die
Großköpfigen müssten zugleich die Intelligenteren sein. Nur, wie
konnte er das beweisen? Galton versuchte zunächst, die Kopf- und damit
die Hirngröße über die Hutweite zu ermitteln. Später maß er direkt, an
den Häuptern von Studenten aus Cambridge. Er verglich Umfänge und
Lernergebnisse, und siehe, seine These wurde gestützt. Heute lachen
nur Dumme über diesen Pionier. Alle Klugen aber lesen
Forschungsberichte, der jüngste gerade veröffentlicht vom Engländer
Cristopher Martyn. Demnach beträgt das Schädelvolumen eines normal
begabten Europäers 1450 Gramm. Jene hingegen, die sich durch besondere
geistige Leistungen hervorgetan haben, kommen auf einen Wert von 1600
Gramm. Sogar der schwerste Geist, das gewichtigste Gehirn ist
ermittelt worden. Turgenjew, 2012 Gramm.
Leser, bleiben Sie ganz ruhig. Messen Sie sich nicht an Turgenjew.
(Messen Sie sich überhaupt nie an Rekordhaltern.) Bedauern Sie ihn.
Bestimmt hat er die ganze Zeit, in der er an Asja schrieb und an Väter
und Söhne, seinen Kopf mit der Hand aufstützen müssen, weil der Kopf
so schwer war wie ein großes Stück Eisen. Der arme Kerl, nein, das
dürfte kein Leben gewesen sein mit einem riesigen, eisenschweren
Schädel. Und hören Sie vom höchst erfreulichen Gegenteil: 1017 Gramm
leicht war das Hirn von Anatole France. Und wer hat den Nobelpreis
gewonnen? Na, France natürlich, nicht Turgenjew. Immer wieder schlägt
die Ausnahme die Regel, vergessen Sie das nicht! Winken Sie nun dem
Metzger, der Mann hat blutige Hände, ohne Zweifel ist dies ein Metzger
und kein Gemüsefritze. Er möge Ihren Schädel vorsichtig - vorsichtig!
- von der Waage nehmen und Ihnen auch behilflich sein beim Aufsetzen
auf den Rumpf. Passt alles? Gut. Hören Sie endlich den Wert, den er
abgelesen hat, und sagen Sie beiläufig, ach, nochmal soviel
Rinderfilet bitte, zum Kurzbraten, in feinen Scheiben.