(SZ) Was waren das für Zeiten, als Ehen noch so schnörkellos verliefen
wie in Friedrich Schillers "Lied von der Glocke"; als wie von selbst
das Strenge mit dem Zarten, als Starkes sich und Mildes paarten.
Drinnen waltete bekanntlich die züchtige Hausfrau, dieweil der Mann
pflanzte und schaffte, erlistete, erraffte und so weiter. Der
Anbahnung des Ganzen räumt Schiller im Lied nicht mehr Raum ein als
unbedingt nötig. Nach einer knappen Mahnung dichterseits ("Drum prüfe,
wer sich ewig bindet . . .") ist dann ein Hausbrand das Schlimmste,
das diese Musterehe bis zum schicklichen Tod der teuren Gattin
bedroht. Holder Friede, süße Eintracht weilen freundlich über ihr, und
Scheidung kennet keiner hier.
Dass diese Zeiten vorbei sind, wenn es sie je gab, belegt folgender
Witz jüngeren Datums: "Wie haben Sie denn Ihren zweiten Mann kennen
gelernt?" - "Durch Vermittlung. Ich hatte wirklich Glück." - "Und wer
hat ihn vermittelt?" - "Mein erster." Darüber muss man weiß Gott nicht
lachen. Aber symptomatisch ist es schon, dass eine Frau sich glücklich
schätzt, wenn sie so übergangslos vom einen Mann zum nächsten wechseln
kann. Greifen wir beispielsweise und nicht ganz willkürlich eine
Statistik heraus, nach der in Russland zurzeit 60 Prozent aller Ehen
in Scheidungen enden, und zwar ohne Garantie des direkten Anschlusses
an einen neuen Partner. Danach kann die Hausfrau, so züchtig sie immer
sein mag, sehen, wo sie bleibt. Jetzt muss sie drinnen ganz alleine
walten, auch dann, wenn ein Wasserhahn tropft, das Klo verstopft ist
oder der Putz von der Decke kommt. Dass da, um nochmal Schiller zu
bemühen, allein stehende Weiber bisweilen zu Hyänen werden, darf
niemanden wundern.
Um zu verhindern, dass das zu oft geschieht, wurde jetzt in Moskau die
Agentur Musch na tschas gegründet, was "Ehemann für eine Stunde"
bedeutet. Für 250 Rubel Stundenhonorar können weibliche Moskauer
Singles sich Männer frei Haus bestellen, die das erledigen, wofür
früher der Gatte zuständig war. Die Mietmänner sägen und stechen,
hauen und brechen - kurz, sie machen es wie die Heinzelmännchen zu
Köln und kümmern sich um sämtliche im Haus anfallenden
Kleinreparaturen. Einige der Kundinnen sind so zufrieden, dass sie dem
Mietgatten anschließend noch ein warmes Essen zubereiten. Frauen, die
Musch na tschas regelmäßig anrufen, wenn bei ihnen das Waschbecken
überläuft oder das Fenster klemmt, führen möglicherweise Ehen von
einer schlanken Perfektion, wie selbst Friedrich Schiller sie nie
besungen hat. Denn die 250-Rubel-Männer machen nicht nur ohne Murren
ihren Dreck selbst weg, sondern tun vor allem auch das, was sich viele
Frauen insgeheim erträumen: Sie hauen nach getaner Arbeit wieder ab.