(SZ) Im Jahr 1963 erschien die Liturgiekonstitution Sacrosanctum
  Concilium. Darin beschrieb die Kirche, wie sie "die dem Wechsel
  unterworfenen Einrichtungen den Notwendigkeiten unseres Zeitalters
  besser anzupassen" gedachte. Martin Mosebach war damals zwölf Jahre
  alt und noch kein Schriftsteller. Knapp vier Jahrzehnte später brachte
  er die "Häresie der Formlosigkeit" heraus, in der er sich, seltsam
  genug für einen zeitgenössischen Schriftsteller, mit der Liturgie
  befasste. Er warf Rom nichts Geringeres vor, als dass es eine
  "Verwüstung des Kultes" zugelassen habe. So hart das klingt: Völlig
  falsch ist es nicht. Man muss kein großer Kirchgänger sein, um zu
  staunen über das, was da oft sonntags von religiös beschwingten
  Gurkentruppen am Altar und um ihn herum geleistet wird. An Inbrunst
  hat es keinen Mangel bei diesen Performances, doch scheint man
  manchmal vor lauter Selbstfeier den aus dem Blick zu verlieren, dem
  die Begeisterung eigentlich gelten sollte.

  Wer das ist? Nun, diese Kolumne hat in solchen Sachen zwar keinerlei
  Kompetenz, aber dass es Gott ist, das zu sagen kann sie schon
  riskieren. Früher wusste man das und hat ihm dadurch Rechnung
  getragen, dass Gemeinde und Priester gemeinsam in eine Richtung sahen:
  nach Osten, Gottes angestammtem liturgischen Ort. Kaum war das Konzil
  vorbei, kam über die Kirche, genauer gesagt über die Ortskirchen, eine
  demokratische Verwirrung, die den bisher völlig unbescholtenen Rücken
  des Pfarrers in den Verdacht brachte, ein Instrument der Volksferne
  und unchristlichen Überhebung zu sein. Seitdem sieht man sich ins
  Gesicht, doch an Zeichenhaftigkeit hat die Liturgie so viel eingebüßt,
  wie sie, zugegebenermaßen, an Leutseligkeit hinzugewann.

  Dies und Ähnliches ist auch dem Vatikan nicht verborgen geblieben. In
  Kürze wird eine Richtlinie erwartet, mit der ein Rückbau der
  verdächtig frei flottierenden Gottesdienstfröhlichkeit eingeleitet
  werden soll. Wie wir unsere Pappenheimer in Rom kennen, werden sie auf
  einen Schelm anderthalbe setzen und das Kirchenvolk derart ruppig zur
  Raison rufen, dass am Ende die Traditionalisten wieder unter sich sind
  und man das Kleine Latinum wird nachweisen müssen, um in den
  Pfarrgemeinderat zu kommen. Wenn die von dem italienischen Magazin
  Jesus ausgeplauderten Details stimmen, haben die Mädchen die längste
  Zeit den Ministrantenkittel angehabt. Dafür soll jedermann das Recht
  bekommen, Liturgieverstöße beim Bischof zur Anzeige zu bringen, was
  schnell dazu führen könnte, dass unsere Geistlichen sich wieder nach
  Osten wenden: Dann brauchen sie wenigstens den Denunzianten nicht in
  die Augen zu schauen. Ob Martin Mosebach wohl ein Agent Roms ist?
  Falls nicht, sollte er sich darauf gefasst machen, demnächst einen Ruf
  ins Kardinalskollegium zu bekommen.