(SZ) Ein Charmeur war Herbert Wehner nie. Poltern, ätzen und knurren
  konnte er wie kein anderer, das Verb "blaffen" schien für ihn erfunden
  worden zu sein. Der "Zuchtmeister" klebte an ihm wie der "Kaiser" am
  Franz oder das "schräg" am Küblböck. Wehner war der Prototyp des
  Fraktionsvorsitzenden. Nett sind die nie. Sie müssen den Laden
  schmeißen, die Abgeordneten zusammenhalten, dürfen tricksen, drohen
  und strafen. Lächler können das nicht. Fraktionsvorsitzende werden
  nicht heißen Herzens von den Abgeordneten erwählt. Sie bekommen sie
  von einer kühl kalkulierenden Regierung oder Partei vorgesetzt.

  Mecklenburg-Vorpommern ist nicht weiter aufgefallen seit der
  Wiedervereinigung. Die Ostsee, okay. Im Mai lässt Ministerpräsident
  Ringstorff feinste Sandstrände ausrollen, im September werden sie dann
  in den stillen Gewerbegebieten Vorpommerns zum Trocknen aufgehängt.
  Jetzt aber verstört eine Nachricht aus dem Nordosten: Die CDU-Fraktion
  im Landtag will ihren Vorsitzenden Eckhardt Rehberg kippen. Der sei
  zwar kompetent, doch doch, aber leider gar nicht nett. Gelegentlich
  sogar garstig. Die Abgeordnete Ilka Lochner-Borst sagt es nur anders,
  wenn sie an Rehberg "soziale Kompetenz" vermisst. Schwerin fiebert,
  und die Republik fiebert mit. Weiß Frau Lochner-Borst eigentlich, wie
  schwer es ein Fraktionsvorsitzender hat? Eine dicke Gesundheitsreform
  muss er auswendig lernen, und dann gibt ihm Antenne
  Mecklenburg-Vorpommern acht Sekunden, um zu erklären, warum die Reform
  Blendwerk ist! Und wie hätte es die Frau Abgeordnete denn gern:
  Soziale-Kompetenz-Teams, Kuschelecken im Landtag, Buttons mit "Make
  Love Not Fraktionszwang"? Eine Art weich gespülten Herbert Wehner?

  An dieser Stelle soll die Restrepublik ruhig erfahren, dass Politik in
  Mecklenburg-Vorpommern ohnehin rustikal exekutiert wird. Die raue
  Küste und das bäuerliche Hinterland haben einen Politikertypus
  herausgebildet, wie er im etepeteten Berlin weitgehend unbekannt ist.
  Sich tagsüber "Düffel-Doffel" (H. Wehner) schimpfen und abends beim
  Chablis fraternisieren - das kennt man nicht zwischen Grevesmühlen und
  Ueckermünde. So wird das Land nur deshalb von einer SPD/PDS- und nicht
  von einer SPD/CDU-Koalition regiert, weil der rote Ringstorff und der
  schwarze Rehberg zueinander stehen wie Hund und Katz. Nach einem
  TV-Duell mussten, so geht die Mär, Helfer im halben Dutzend eine
  Auseinandersetzung verhindern. Wohlgemerkt wird das Wort
  "Auseinandersetzung" hier nicht im politischen, sondern im
  rustikal-handfesten Sinn verwendet. Vom Gegner gehasst und von den
  "Freunden" verstoßen: Jemand sollte diese Woche den Eckhardt Rehberg
  ganz fest in den Arm nehmen. Vielleicht könnte die Ilka, also Frau
  Lochner-Borst . . . ?