(SZ) Endlich! Wir haben den Farbton getroffen, in dem das Wohnzimmer
gestrichen werden soll, ein überzeugendes Neapelgelb hell, wie Kenner
sagen würden. In der Farbskala kommt es gleich hinter Jaune brillant
und unmittelbar vor Neapelgelb dunkel. Nach gelungener erster Probe
auf der Wand wird munter drauflosgemalert. Doch ach, die herrliche
Farbe schwindet, ohne dass alle Flächen bedeckt wären. Daraus folgt:
Nachmischen. Alle stehen um den Bottich, geben Tipps. Jetzt ist es zu
dunkel geworden, also mehr Titanweiß hinein. Nun zu hell, dann mehr
Rapsgelb rein. Auch nicht gut. Es ist wie in der Musik: Das einmal
Erklungene bleibt auf immer Beute der Vergangenheit und kehret nimmer
wieder. Der richtige Farbton, jener, der alle begeisterte, er lässt
sich nicht mehr haargenau herbeirühren. Es schwindelt die Mischer von
all den Nuancen, zwischen denen sich irgendwo jenes Neapelgelb hell
versteckt hat, in dem die gute Stube hätte erstrahlen sollen.
Farben mischen, damit haben sie einst alle angefangen, die großen
Maler. Magenta zum Beispiel. Schon mit siebzehn Jahren stattete er
ganze Eremitenkapellen mit Fresken aus. Die Kunsthistoriker schwärmen
bis heute von seinem "kräftigen Realismus", der "plastischen
Erscheinung" und der "Raumperspektive" seiner Bilder. Er schuf das
erste Gruppenporträt und das erste illusionistische Deckengemälde.
Großartig, dieser Magenta, "im Bereich der Mode auch Pink genannt."
Und jetzt kommt die Nachricht, dass die Deutsche Telekom Magenta gegen
Nachahmer verteidigt hat. Der Bundesgerichtshof hat anderen
Unternehmen der Telekommunikationsbranche die Nutzung von Magenta
untersagt: Es bestünde Verwechslungsgefahr. Schön, wenn sich ein
modernes Unternehmen so gegen Kunstfälschung engagiert. Der Konkurrent
Mobilcom hatte nämlich 1998 in den Farben von Magenta für sich selbst
geworben. Unerhört, dabei verbinden nach Umfragen rund siebzig Prozent
den Maler Magenta mit der Telekom. Mantegna. Wie, bitte? Mantegna, der
Maler heißt Mantegna, Andrea, und nicht Magenta. Andrea Mantegna hat
nichts mit der Telekom zu tun. Magenta aber ist keineswegs von
Donatello und antiken Vorbildern beeinflusst, obwohl die in der Natur
manche Blüte in Pink oder Magenta leuchten sahen. Magenta gilt als
Farbe des Idealismus, der Dankbarkeit, der Ordnung und des Mitgefühls.
Kein Wunder, dass sich die Deutsche Telekom Magenta per Gericht als
Auftrittsfarbe gesichert hat.
Man sieht, wie nötig das Urteil war, wenn Maler und Farbe so leicht
verwechselt werden können. Seit dem Urteil haben sich auch die Mischer
im Wohnzimmer entschieden. Wer mag schon irgendwelche Sorten von
welschem Neapelgelb? Gute Deutsche Telekom, wir folgen Dir, Magenta
sei's Panier!