(SZ)Es gibt Geschichten, die glaubt man, weil sie so unglaublich sind.
Sie handeln von wiederauferstandenen Karnickeln oder von
Chihuahua-Hündchen, die sich bei genauerem Hinsehen als
"Hochbeinratten" entpuppen. Urbane Mythen nennt man solche schönen
Stories. Eine der schönsten erzählt vom toten Mann im Taucheranzug,
den südkalifornische Feuerwehrleute nach einem Waldbrand in der Krone
eines verkohlten Nadelbaumes fanden. Die Legende besagt, ein
Löschflugzeug habe den Taucher geschluckt, als es in einem nahen See
Wasser aufnahm. Einige Kilometer weiter habe das Flugzeug seine
flüssige Fracht mitsamt dem Taucher, der inzwischen einem Herzinfarkt
erlegen war, über dem Waldbrand entladen.
Ja, so was möchte man glauben dürfen, zumal diese Mär
motivgeschichtlich direkt anknüpft an eine andere, ältere, welche
ihrerseits Glaubensfragen im höheren Sinne aufwirft. Jonas heißt ihr
tauchender Protagonist, die Rolle des Löschflugzeugs aber spielt ein
großer Fisch. Wir erinnern uns: Jonas war nicht gen Ninive gegangen,
um den Heiden zu predigen, wie Gott es ihm aufgetragen hatte, sondern
stattdessen zu Schiff geflohen. Da ließ der Herr als Strafe einen
großen Wind aufs Meer kommen. Um die Wellen zu besänftigen, ging Jonas
freiwillig über Bord, und auf Geheiß des Herrn schluckte ihn sodann
ein großer Fisch, in dessen Bauch der Prophet drei Tage und Nächte
über seinen Ungehorsam nachsinnen und Buße tun konnte. Am Ende spie
der Fisch Jonas wohlbehalten an Land; dieser aber ging nach Ninive und
rief die Niniviten zur Umkehr auf. Welches Licht wirft das auf den
toten Taucher im Baum? Wollte er sich durch sein Tauchen einem
göttlichen Auftrag entziehen? Hatte er zu wenig gebetet und Buße getan
im Bauche des Löschflugzeugs? Irgendwas muss er falsch gemacht haben,
sonst hätte er den vergleichsweise kurzen Transport ja überlebt.
So wie jener Pinguin, der sich vor einigen Wochen im Netz eines
japanischen Fischereifabrikschiffes verfing und gemeinsam mit Tonnen
von Fisch in die Eiskammer geriet. Bei 20 Grad unter Null ernährte der
Pinguin sich einige Wochen von der Ladung. Erfreulich, dass der Fisch,
anders als in der Bibel, hier auch mal zum Geschluckten wurde. Der
Pinguin, nennen wir ihn Jonas, tat offenbar Buße im Schiffsbauch und
ging in sich, denn irgendwann spie das Fischereifabrikschiff ihn
wohlbehalten an Land. Das ist die Wahrheit und kein urbaner Mythos.
Wer's nicht glaubt, sollte nicht zögern, nach Loro Parque auf
Teneriffa zu pilgern. Dort ist der wundersam Gerettete in der
Pinguin-Anlage Planet Pinguin zu besichtigen. Und wer Glück hat, kann
abends nach der Fütterung (es gibt Fische, große Fische) hören, wie
Jonas, der Pinguin, seine Artgenossen im Gehege zur Umkehr aufruft.