(SZ)Sieht man von Stalins Tod und vom Aufstand in der DDR ab, so zählt
  1953 nicht zu den ganz großen Jahrgängen. Immerhin kamen der
  Kinsey-Report sowie "Warten auf Godot" heraus, und auf der IAA in
  Frankfurt präsentierte Messerschmitt seinen Kabinenroller KR 175, im
  Volksmund "Schneewittchensarg". Die DDR lachte damals angeblich über
  den folgenden Witz. Ein sowjetischer Besatzungsoffizier kommt mit
  einer defekten Uhr zum Uhrmacher. Der öffnet die Uhr und holt eine
  tote Wanze heraus. "Aah", ruft da der Russe, "Maschinist kaputt!" Dass
  ausgerechnet dieser Witz im Umlauf war, trifft sich insofern gut, als
  1953 in Westdeutschland ein "Maschinist" erfunden wurde, der eines der
  Elementarprobleme des tagtäglichen menschlichen Miteinanders beheben
  half, wenn auch nicht in der Wurzel, sondern nur im Symptom: der
  Tropfenfänger.

  Das Problem hat seinen Grund in der physikalischen Beschaffenheit
  flüssiger Stoffe. Sie treiben, sehr laienhaft gesagt, ihr Wesen in der
  Grauzone zwischen den festen Körpern und den Gasen, weswegen sie, wenn
  sie in ihrem Fluss unterbrochen werden, denn auch nicht glatt und
  bündig abreißen. Beim Kaffee machen sich diese Kohärenzkräfte so
  bemerkbar, dass die Ausgießerei fast immer in ein peinliches Getröpfel
  mündet. Man kann in dem Zusammenhang den Porzellanmanufakturen den
  Vorwurf nicht ersparen, dass sie die Sache entweder auf die leichte
  Schulter genommen haben oder aber nicht fähig waren, intelligente
  Schnabellösungen vorzulegen. Versaute Tischdecken waren die Folge, und
  die daraus wiederum resultierenden gesellschaftlichen Verwerfungen
  seien hier nur angedeutet: blamable Vertuschungsmanöver, zerstrittene
  Kaffeetanten, ruinierte Kränzchen. Und die Herren, die sich mit
  unorthodoxen, ja akrobatischen Schüttmanövern großtun wollten und
  dabei den Mops der Hausherrin verbrühten, lud man ebenfalls nie mehr
  ein.

  In diese zwischen Wollen und Können, Anspruch und Wirklichkeit
  klaffende Lücke stieß der Tropfenfänger, der seine bescheidene
  Genialität alsbald offenbarte. Doppelt war sein Nutzen: Der Schwamm
  vorn fing die Tropfen auf und speicherte sie bis zum Ende selbst der
  ausgedehntesten Kaffeetafel; der Gummizug aber, der am Griff der Kanne
  befestigt war und den Schwamm gegen die Tülle presste, hielt den
  Deckel fest. (Auch dieser ist, wie bei aller Sympathie für die
  Porzellanindustrie nicht verschwiegen werden sollte, eine
  Schwachstelle des Systems Kanne, wenn nicht gar eine Sollbruchstelle -
  doch das können wir nicht beweisen.) Auf dem Gummizug saß, bei den
  komfortableren Modellen jedenfalls, ein Plastikschmetterling. Sagen
  wir zu viel, wenn wir in der Rückschau behaupten, dass es nächst
  Stalins Ende diese kleinen, bunten Schmetterlinge waren, die das Jahr
  1953 nicht wenig erhellten?