(SZ) Oft gesehen, nie verstanden: Zu Beginn jeder Folge der
  Fernsehserie "Kobra, übernehmen Sie" erteilte eine Tonbandstimme dem
  Team der Impossible Mission Force einen Auftrag. Diese Botschaften
  endeten stets mit dem Hinweis, das Band werde sich "in fünf Sekunden
  selbst zerstören", was es dann auch tat. Allerdings explodierte es
  nicht etwa, das hätte man ja noch begriffen. Es verbrannte. Eine
  Flamme, ein Zischen, weg war es, das Band. Die Vermutung, dies liege
  an der chemischen Zusammensetzung des Nachrichtenträgers, wurde weder
  bestätigt noch widerlegt. Zudem blieb wenig Muße, sich darüber
  Gedanken zu machen, galt es doch zu verfolgen, wie das Kobra-Team
  General Rio Dominguez, "Diktator von Santa Costa" unschädlich machte,
  oder Janoš Passik, einen "Experten" der "anderen Seite".

  In letzter Zeit häufen sich Erfindungen, die nahe legen, dass die
  Chemie-These damals so falsch nicht gewesen sein kann. Erst kürzlich
  legte zum Beispiel die Plattenfirma Atlantic der CD ihrer
  Hip-Hop-Gruppe Nappy Roots eine so genannte "Promo-DVD" bei, deren
  Datenschicht sich acht Stunden nach der Erstbenutzung auflöste. Für
  die jüngste Errungenschaft in der "Kobra"-Tradition sind
  Wissenschaftler der Universität Salford bei Manchester verantwortlich.
  Ihnen ist es gelungen, einen neuartigen Schraubverschluss für
  Medizinflaschen zu entwickeln. Er ist aus Kunststoff und zerfällt peu
  à peu, um schließlich mit der Flasche zu verschmelzen, pünktlich zum
  Ablauf der Haltbarkeit ihres Inhalts. Schön diskret, dieses sanfte
  Verschmelzen, erheblich diskreter als das verzischende Tonband. (Eine
  Selbstentflammung des Plastikkäppchens wäre, wiewohl theoretisch
  sicher auch machbar, im Tablettenschrank ein unwillkommenes Phänomen.)

  Jedenfalls ist die Flasche jetzt für immer zu. Der Zerfall ihres
  Verschlusses verhindert also einen anderen, möglicherweise fatalen
  chemischen Prozess: den im Magen des potenziellen Konsumenten.
  Schließlich hat jeder Mensch seine eigene Programmierung, welcher er
  nicht durch den Verzehr abgelaufener Medikamente vorzugreifen braucht.
  Was sind wir denn, wenn nicht der komplexeste aller Automaten mit
  Selbstzerstörungs-Mechanismus? Wir sind Tonband, sind Promo-DVD, und
  wir sind Schraubverschluss, wobei die meisten Menschen wie letzterer
  funktionieren. Sie verfallen. Die Behauptung, dabei überschreite
  mancher sein Haltbarkeitsdatum, sei dem Vorsitzenden der Jungen Union
  überlassen. Tröstlich ist, dass niemand Tag und Stunde seines Abgangs
  kennt. Man stelle sich einen Kreißsaal vor, in dem nach jeder Geburt
  eine Tonbandstimme verkündet: "Dieser Organismus wird sich in 73,5
  Jahren selbst zerstören." Das wären zwar mehr als fünf Sekunden, aber
  beruhigend wäre es auch nicht gerade.