(SZ)Als ob die Probleme nicht schon reichten, kommt auf Deutschland
  nun auch noch der Pfandschlupf zu. Die seltsame Bezeichnung lässt
  zunächst an etwas sich Entziehendes, Vergehendes, Verschwindendes, ja
  sich "Verdünnisierendes" denken, doch das genaue Gegenteil ist der
  Fall. Unter dem Pfandschlupf versteht man Geld, das übrig bleibt, wenn
  die Kunden für Einwegverpackungen zwar Pfand zahlen, dies aber
  verfallen lassen, sei es, weil sie es vergessen, sei es, weil ihnen
  die Mühe des Einlösens zu groß ist, oder sei es, weil sie das
  Dosenpfand überhaupt für einen Aberwitz halten. Nach einem Bericht des
  WDR hat sich beim Handel mittlerweile ein Thesaurus von 450 Millionen
  Euro angesammelt, von dem der Staat an die 75 Millionen über die
  Steuer abzockt. Der Rest liegt als eine Art Nibelungenhort herum, und
  es gibt keinen, der sich Geld nicht gern unter den Nagel risse.

  Das vorderhand Schönste an der Sache ist, dass der gute alte Schlupf
  wieder in unser Bewusstsein tritt. Er hat ein für Wörter nicht
  ungewöhnliches Schicksal hinter sich, indem er in seiner angeborenen
  Bedeutung fast gar nicht mehr verwendet wird. Man verstand darunter
  einen engen Durchgang, eine schnelle Bewegung oder einen Zufluchtsort.
  In der Schweiz soll man sogar den Muff als Schlupf bezeichnen, woraus
  sich schon ergibt, dass der röhrenförmige Handwärmer gemeint ist - den
  Muff unter den Talaren würden nicht einmal die Schweizer einen Schlupf
  nennen. Der traditionelle Schlupf ist ein Opfer der Technik geworden,
  und zwar insofern, als man ihn fast nur noch gebraucht, um ganz
  bestimmte Ungleichheiten zu definieren. So redet man von einem
  Antriebsschlupf, wenn die Kraft eines Autos nur unzureichend auf die
  Fahrbahn übertragen wird, wenn also, schlichter formuliert, die Reifen
  durchdrehen. Die einschlägige Industrie hat sich dazu einiges
  einfallen lassen, zum Beispiel eine Antischlupfregelung (ASR), wie man
  sie sich auch für die ebenso verbreiteten wie beliebten gesetzlichen
  Schlupflöcher wünschte.

  Betrachtet man den Pfandschlupf unter diesem technischen Aspekt, so
  könnte man sagen, dass Jürgen Trittin mit dem Pfand eine gewaltige
  Kiste in Bewegung setzen wollte, dass aber dafür entweder die Reifen
  zu glatt waren oder die Fahrbahn (bei Trittin wahrscheinlich beides).
  Nun gehen die Reifen durch, und eine Antischlupfregelung ist weit und
  breit nicht zu sehen. Irritierenderweise tritt der Schlupf, sonst ein
  Negativum, hier in Form eines Geldhaufens auf, was bei den anderen
  durchdrehenden Initiativen unserer lieben Regierung leider nicht der
  Fall ist. Freilich kommen wir auch an diesen Topf nicht heran. Da
  werden uns die Finger sauber bleiben, und damit uns nicht auch noch
  friert, stecken wir sie in den Muff respektive, wie der Schweizer
  sagt, in den Schlupf.