(SZ) Unsere Hoffnung am Dienstag ist der gute, stille Vollmond. Voll,
so voll. Doch wie es aussieht, wird ein Wetterwechsel nicht kommen. Es
wird weitergehen. ES, das Unheimliche, Unbegreifliche. Die Umdeutung
unseres spaßvergesellschafteten Zentralgestirns von der guten, lieben
zur gnadenlosen, brennenden, grausamen - zur "bösen" Sonne. Ja, wo
sind wir denn? Mitteleuropa? Paris 38, London 37,4, München 35,
Perl-Nennig (Saar) 40,8 Grad Celsius. Überschrift: Neuer deutscher
Hitzerekord. Was aber ist deutsch an jenem Spitzenwert? In deutschen
Büros kreiseln mittlerweile Ventilatoren ohne Zahl. Afrikanische
Verhältnisse? Aufgeheizt und aufgeweicht die meisten Bestandteile
unmittelbaren Seins im Kern einer ehemals gemäßigten Klimazone. Das
Bettlaken, die Sitzgrube, der Laptop, das Buch, die Türklinke. Warme
Türklinken, igitt! Vor allem das Hirn. Dumm geschwitzt und abgebräunt.
Zermürbt, ja demoralisiert nach unerquicklichen Nächten kämpfen wir
mit einem Feind, welcher sich wie heiß gefönte Watte anfühlt.
Aufgehoben ist der Unterschied von drinnen und draußen. Welch eine
Sehnsucht nach Kühle! Heimlich erschlichen bei Tengelmann eine Prise
aus der TiefKÜHLtruhe. Eine Prise Kühle.
Bei den Nachrichtenagenturen kreißen die
Sommerloch-Metaphorik-Spender. Große Hitze wirft immer längere
Schatten. Haargenau! Sonnenglut hat neue Hitzerekorde aufgestellt.
Nein, Kachelmann war's. Und was ist mit unseren Fußgängerzonen entlang
des neuen Äquatorverlaufs auf der Linie Frankfurt/Oder-Frankfurt/Main?
Tatsächlich, wahr?! Äquator verschoben?, quiekt das Pisa-Volk. Oh,
verarmtes Deutschland! Die Fetten und die Feisten, es sind nicht
wenige, können sich einen Spiegel nicht leisten, und zeigen öffentlich
alles, was sie drauf haben. Sommer ist's und krepiert ist auch das
feine Unbehagen, vor langer, langer Zeit.
Möglichkeit eins: die gemäßigte Klimazone ist am Ende. Mitteleuropa
wird laufender Versteppung und partiellen Stromsperren überantwortet,
weil wir Oberflächlichkeit ("Mach nicht so'n Scheiß, merkt doch
keiner") zum Götzen erhoben. Und immer strafte Gott Abtrünnige gleich:
"Der Herr wird dich schlagen mit Dürre, Fieber, Hitze, Brand ..." (5.
Mose 28,22). Möglichkeit zwei: gewöhnlicher Racheakt neidischer
Gestirne. Ende August nehmen böse Sonne und roter Mars den Planeten
Erde in die Zange. Mars, nach sechzigtausend Jahren, nähert sich dem
Konkurrenten Erde bis auf gefährliche fünfundfünfzigkommasieben
Millionen Kilometer. Saurier sterben aus, Schröder liest erschrocken
einen Roman (Zauberberg, Th. Mann), und im kommenden Jahr wird
Deutschland mit Dubai vereinigt. Bis dahin krähen wir im Chor mit
fröhlichen Radio-Moderatoren: Super-Sommer! Super!