(SZ)In seiner 1822 erschienenen Schrift "Geist der Kochkunst" sagt
  Carl Friedrich von Rumohr, worauf es beim Kochen ankommt: im
  Horazischen Sinn miscere utile dulci, also Nützlichkeit mit Anmut zu
  verbinden beziehungsweise, präziser formuliert, "in den Naturstoffen,
  welche überhaupt zur Ernährung oder Labung der Menschen geeignet sind,
  durch Feuer, Wasser und Salz ihre nahrsame, erquickende und
  ergötzliche Eigenschaft" zu entwickeln. Wer wollte bezweifeln, dass
  Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Johannisbeeren, Orangen, Stachelbeeren,
  Kirschen, Himbeeren, Pflaumen und Quitten zur Ernährung und Labung des
  Menschen in höchstem Maße geeignet sind? Man könnte meinen, sie wären
  an sich, wie sie von Strauch oder Baum kommen, schon ergötzlich genug,
  und dennoch drängt es die Hausfrauen Jahr für Jahr aufs Neue, sie
  durch Feuer, Wasser und Salz zu Marmelade zu entwickeln. Das heißt,
  das Salz lässt man in dem Fall wohl besser weg.

  In einem dpa-Feature äußerten sich Vertreter der Marmeladen-Industrie
  dieser Tage sehr geschickt, ja geradezu diplomatisch über die
  Marmeladeköchinnen draußen im Lande: Sie seien zwar ihre schärfste
  Konkurrenz und man habe gegen sie nur dann eine Chance, wenn man
  besser sei als sie, aber eine Kampfansage sei das nicht - "wir wollen
  sie entlasten". Was eine richtige Marmeladerin ist, so wird die an
  dieser Stelle säuerlicher auflachen, als
  Quitten-Rhabarber-Stachelbeer-Marmelade schmeckt, bei der man den
  Einmachzucker vergessen hat. Entlasten! Als ob es nicht die süßeste
  aller Lasten wäre, zunächst unter den Früchten des Sommers ein die
  Sinne betörendes Gemetzel anzurichten, danach den Matsch zu kochen (um
  Gottes willen nur mit einem Holzlöffel umrühren und regelmäßig
  abschäumen!), abzufüllen, mit in Rum getauchten Cellophanblättchen vor
  Schimmelbildung zu schützen und schließlich die Gläser zu verschließen
  und die Etiketten säuberlich zu beschriften: "Erdbeer/Orange, nach
  Tante Centa, Juli 2003."

  In dem erwähnten Feature steht, dass "eingefleischte
  Selbstkocherinnen" auf 600 Gläser je Saison kämen. Hier beginnen die
  Fragen der Breitenwirkung, weil von den 600 Gläsern mindestens 550
  unters Volk gebracht werden müssen und weil dabei immer wieder
  offenbar wird, dass nicht jede Selbstkocherin auch eine Selbstkennerin
  ist. Wäre sie das, würde sie den süßen Brei, den sie als Gelee
  ausgibt, zuhause selber ins Joghurt rühren oder an die nächstbesten
  Wespen verfüttern. Des Himmels Segen über alle guten
  Marmeladenköchinnen, doch wer so eine Pfuscherin in der Verwandtschaft
  hat, wird seines Lebens nicht froh. Erstens wegen der jährlichen
  Marmeladenflut und zweitens, weil solche Leute meistens auch
  Weihnachtsplätzchen backen, eingefleischt zwar, aber miserabel.