(SZ)Ach, sie war schon arg idealistisch, die kleine Julia Capulet.
  "Das, was wir Rose nennen", meinte sie, " würd' unter jedem and'ren
  Namen gleich süß duften." Auch wenn ihr Romeo nicht Montague geheißen
  hätte, wäre sie in heftiger Liebe zu ihm entbrannt, so dachte Julia.
  Es lässt sich nicht mehr prüfen, ob sie einem Romeo Klapöttke oder
  einem Romeo Ballerstaller ebenfalls ihr Herz geschenkt hätte.
  Allgemein gilt, dass Namen Macht haben über das Schicksal ihrer Träger
  und das der Zeitgenossen.

  Mancher Mensch, der dies erkennt, nimmt das Schicksal selber in die
  Hand, indem er seinen Namen ändert. Erst nachdem er vom alten "Saulus"
  Abstand genommen hatte, feierte der Heilige Paulus enorme Erfolge als
  Apostel und Briefeschreiber. Die ägyptische Königin Nofretete legte
  sich den Namen Neferneferuaton ("Schön ist die Vollkommenheit des
  Gottes Aton") zu, der Sänger Cat Stevens benannte sich um in Yusuf
  Islam, und die Amerikanerin Karin Robertson heißt jetzt GoVeg.com.
  GoVeg.com (sprich: "Gowedschdotkomm") ist Tierschützerin aus Indiana
  und hat offiziell den Namen einer veganischen, also
  radikalvegetarischen Internetseite angenommen, um auf das Leiden
  nahrungshalber ausgebeuteter und hingemeuchelter Tiere aufmerksam zu
  machen.

  Nun ist all den genannten Namensänderungen eins gemein: Es liegt ihnen
  Sendungsbewusstsein zugrunde. "Kehrt um wie ich", suggerieren sie uns.
  "Werdet Anhänger Christi!" "Huldigt Aton!" "Betet zu Allah!" Oder
  eben: "Lebt vegan!" Doch während eine religiöse Konversion erst im
  Jenseits ihren wahren Wert erweisen muss, erfordert die radikale
  Abkehr von jeder Mittäterschaft am Tieretöten schon im Diesseits eine
  nicht unerhebliche Lebensreform. Mehr noch, es ist eine Forderung, an
  der gewissenhafte Menschen selbst nach der Ächtung von Frühstücksei
  und Lederschuh und Seife aus Pferdefett verzweifeln müssen. Das
  milliardenfache Vernichten lebender Organismen kann konsequent nur
  bekämpfen, wer auch auf Antibiotika und fungizide Badreiniger
  verzichtet. Doch nur Wenige werden so edel sein, nicht
  zurückzuschlagen, wenn nichtmenschliche Kleinstlebewesen ihnen
  Flecktyphus oder einen Lungenpilz verpassen. Drum wird der
  diesseitigen Glaubensmission, die Frau GoVeg.com zur Umbenennung
  trieb, nie wahrer Erfolg beschieden sein. Die einzig befriedigende
  Namensänderung ist ohnehin jener kleine Zusatz, der aus einfachen
  Zeitgenossen Figuren der Weltgeschichte zu machen vermag. Man hängt
  schlicht "der" oder "die Große" dran. Schon fordert man in edler
  Einfalt und stiller Egomanie bereits bei der ersten formellen
  Vorstellung von Gott und der Welt, was der Dichter Robert Gernhardt in
  die schönen Zeilen kleidete: "Preise künftig meinen Namen. Denn sonst
  setzt es etwas. Amen."