(SZ)Als es endlich losging, ging das so: "Johohe! Hallajo! Hohoha!
  Hallojo!" Die pflichtbewusst herbeigeeilten Politiker (und
  Politikerinnen) müssen sich sauwohl gefühlt haben. Es tobte
  herzwärmend auf der Bühne wie im Hauptwahlzelt zu Wahlkampfzeiten -
  nur schöner. Und das war längst noch nicht alles. Zweite Zeile: "Ho!
  Ha! Ha! Ja! Hallajo! Hallaha! Hallahoja!" Ja hallo, ihr
  Wahlwerbefuzzis: So, so unvergesslich triumphierend, wagnerianisch und
  nicht anders müsst ihr es starten: das Gesamtkunstwerk Wahlkampf. So
  wie Spindoc Richard Wagner seine Oper Der Fliegende Holländer beginnen
  lässt, das herrliche Eröffnungsstück der diesjährigen Festspiele zu
  Bayreuth. Edmund Stoiber und Angela Merkel haben genau aufgepasst.
  Franz Maget (?) mit Frau Dorle (im einzigen grünen Leih-Kleid des
  Abends, wie die Abendzeitung sensibel notierte) war übrigens auch da.
  Seid Bayreuth, immer Bayreuth! Hallahoja!

  Die hohen Herrschaften, von den Fanfaren ins Haus am Hügel gerufen,
  wurden während der ihrem Kunstgenuss vorgeschalteten Parade am
  kartenlosen Volk vorbei von diesem präzise beobachtet und
  bewillkommnet. Zum Beispiel als der Wagnerianer Thomas Gottschalk samt
  Gefolge auftrat (Frau, Bruder, Bruderfrau), schaffte sich die
  Verehrung in kraftvollen "Thommy, Thommy!"-Rufen Luft. Kein Wunder.
  Hat doch soeben eine Umfrage unter den deutschen Menschen zwischen 18
  und 45 Jahren herausgefunden, dass ihnen Thommy mehr bedeutet, ja dass
  er bedeutender ist, als dieser Dichter Goethe. 51 Prozent Thommy, 49
  Prozent Johnny Goethe. Knapp, aber klar. Thommy hätte die
  Kanzlermehrheit in der Tasche. Hallojo!

  Wo aber war eigentlich Dieter Bohlen an jenem bedeutenden Abend? Ihm,
  der mit Sangeskunst und Kompositionskraft von Gott geschlagen ist,
  hätte ein Ehrenplatz gebührt auf dem Grünen Hügel. Wenn wir
  weiterdenken, dann wäre es überhaupt nicht verkehrt, diesen
  vielseitigen Künstler für die Nachfolge des greisen Wolfgang Wagner in
  Erwägung zu ziehen. Vielleicht arbeitet man ja schon daran. Ob er
  deshalb nicht? Oder war wieder Naddel schuld, die verhindern will,
  dass der Gesamtkunstwerker mit einer Anstecknaddel auf Werbetour geht?
  Das Artistenleben ist kompliziert, wie bereits Richard Wagner erfahren
  musste. Pop-Titans Bohlen Demütigung erfolgte allerdings bereits vor
  jenem Opernabend. In der selben Umfrage, die Thommy den Platz vor
  Goethe bescherte, verlor Bohlen haushoch gegen ein Individuum namens
  Beethoven. 79 Prozent der befragten 18- bis 45-Jährigen halten
  tatsächlich Beethoven für den bedeutenderen Deutschen. Das kann nur
  daran liegen, dass sein Auftritt in dem Filmwerk "Ein Hund namens
  Beethoven" noch zu stark im kollektiven Gedächtnis lebt. Dagegen kommt
  selbst Titan Bohlen nicht an.