(SZ)Jetzt kommen auch die letzten noch mit gewaltiger Macht: die
schönsten, die allerschönsten Wochen des Jahres. Baden-Württemberg
(24.7.), Bayern (28.7.), Nordrhein-Westfalen (31.7.) schenken ihren
Kindern (und Lehrern) die Ferien. Die guten Eltern haben lange vorher
schon synchrone Urlaube geplant, die herrlichsten Traumziele gebucht.
Auf geht's nun froh durch spannende Staus auf den Straßen, durch
erregende Streiks auf Airports und Bahnhöfen, den zu Recht so
genannten Ferienparadiesen entgegen. Freiheit und Freizeit sind nicht
mehr durch einen Druckfehler voneinander geschieden: Freizeit ist
Freiheit - und umgekehrt. Utopia liegt vor der Nase, und das Paradies
ist wieder zum Ort der wahren Bestimmung des Menschen geworden - wie
sich das gehört. Im Paradiesgarten Eden vertrödelten Adam und Eva
einst nackt und selig den Tag und die Nacht. Sie arbeiteten nicht,
niemals. Arbeit, erfuhren sie später, ist Fluch, lebenslange Strafe.
Identisch mit der Vertreibung aus dem Paradies. Vorher hatten sie
immerzu Ferien.
Aber ach, das ist lange her. Aus dem Fluch ist Gewohnheit geworden,
liebe sogar. Verkehrt hat sich die Wertschätzung tief im Innern des
Menschen. Der einstige Fluch (die Arbeit) gilt den meisten nun als das
Schönste, was sich denken lässt. Die Freizeit samt ihrer lästigen
Freiheit stinkt demgegenüber mächtig ab. Das trifft vor allem auf den
deutschen Menschen zu. Die Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung
(GfK) hat 21957 Menschen in 21 Ländern ausgehorcht, was schöner sei:
Arbeit oder Freizeit? Jeder dritte Deutsche schuftet lieber, als sich
den Wonnen des Nichtstuns hinzugeben (von den unfreiwillig
Arbeitslosen ist hier die Rede nicht). Übertroffen werden wir nur von
Türken und Portugiesen. Die sind noch heftiger ins Arbeiten verliebt.
Am wenigsten dem Fluch postparadiesischer Zeiten zugeneigt sind die
Finnen. 64Prozent der Mitglieder dieses rätselhaften Volks wollen doch
lieber freizeiten als arbeiten.
Nun mag man sich fragen, warum die GfK in 21 Ländern mit intimen
Fragen solche bedenklich stimmenden Antworten gesammelt hat. Richtig.
Die Erforscher wollten wissen, was die Arbeitssüchtigen in ihrer wenig
geschätzten Freizeit denn am liebsten tun, auf dass man ihnen diese
Stunden noch ein wenig mehr versüßen kann. Die furchtbare Ahnung trügt
nicht: Fernsehen ist den Freizeitfeinden die wunderbarste aller
Beschäftigungen. Dann gibt es noch Musik (ist eigentlich auch
Fernsehen), ein bisschen lesen und Kneipe gehen. Aber 66 Prozent der
Westeuropäer hängen doch am liebsten vor der Glotze. Riskiert man
kühne Schlüsse, dann kann das Ergebnis nur lauten: Am besten bleiben
wir gleich daheim. Dort ist auch die Arbeit nicht fern. Der Kanzler
hat schon Recht mit dem Balkon in Hannover. Schöne Ferien.