(SZ)Unablässig haben große Denker an diversen Gebäuden gezimmert und
  gemauert, welche die Gesellschaft abbilden sollen. Soweit die Baupläne
  Realität wurden, sind dabei im Verlauf der Geschichte neben wohligen
  Aufenthaltsräumen für die einen auch jede Menge Folterkammern für die
  anderen herausgekommen. Immer aber verfolgen die Zeichner den Zweck,
  hierarchische Strukturen abzubilden, mögen diese nun Machtpositionen
  oder ein Gefälle des Wohlstands ausdrücken. Besonders beliebt ist von
  alters her die Pyramide, weil ihr Modell besondere Stabilität
  verspricht: Unten wohnt die große Masse, nach oben zu werden es immer
  weniger; die Unteren stützen die Oberen solide ab und kommen für die
  größten Wasserschäden auf. So hat man nach dem Zusammenbruch der
  Ostblockstaaten schnell danach getrachtet, wieder eine Pyramide zu
  errichten. Es wohnen jetzt nur weniger Kommunisten in den oberen
  Stockwerken.

  An der Architektur kommen auch die Denker der Gegenwart nicht vorbei,
  wenn sie das Gebäude der Gesellschaft beschreiben. Der bayerische
  Ministerpräsident hat nun ein Haus entworfen, in dem es eine
  Champagner-Etage und eine Leberkäs-Etage gibt. In letzterer wohnt, so
  Edmund Stoiber, ideal typisch die Aldi-Kassiererin, welche oft
  Leberkästage einlegen muss, während die drüber im Schampus schwimmen.
  Wenn uns nicht alles täuscht, geht diese Unterscheidung auf den
  früheren Amtsinhaber Strauß zurück, welcher dem gewesenen Münchner
  Oberbürgermeister Kiesl und seiner Bande weniger Champagner und mehr
  Leberkäs empfahl. Geholfen hat es aber wenig, weil die Münchner
  Parteifreunde bis heute so champagnerperlenbeschwingt daherkommen,
  dass sie manchmal sogar vom Boden abheben. Möglicherweise ist es aber
  auch das Weißbier, das sie so auftreibt.

  Im Kern hat Stoibers Gebäude aber Risse, weil sich die Aldi-
  Kassiererin sehr wohl an jenem preiswerten und gepriesenen Champagner
  labt, den ihr Arbeitgeber im Sortiment führt. Tragfähig bleibt
  hingegen die Untermauerung sozialer Differenz mit entsehntem
  Rindfleisch und fettgewebsreichem Schwein, vulgo Leberkäs. Die Reichen
  und Schicken meiden ihn, solange er nicht im Bärlauchmantel an
  Trüffeljus daherkommt. Außerdem ist er wie höchstens noch die
  Weißwurst zur Ernährung der Unterschicht geeignet, weil er schlagartig
  ein unüberwindbares, dem Übermaß vorbeugendes Gefühl der Sättigung
  hervorruft. Sollte Zahnersatz nicht mehr für alle erschwinglich sein,
  ist das mit Leberkäs auch kein Problem. Nicht zuletzt dient er als
  Opium fürs Volk, worauf der niederbayerische Lyriker Marzell Oberneder
  hingewiesen hat: "Wer gern Leberkäse isst, / Bier und Brot nicht ganz
  vergisst, / lächelt froh ins Himmelszelt / als der Glücklichste der
  Welt."