(SZ) Ein paar Erinnerungen an die Zeit, als das Fernsehen noch
beruhigend war. Es gab nicht jeden zweiten Abend einen Brennpunkt, die
Abspannmusik nach einem Spielfilm konnte sich entfalten, ohne dass ein
Programmhinweis darübergetextet wurde, und manchmal war etwas zu Ende,
aber das nächste fing noch nicht an. Dann schob die Regie eine Tafel
ins Bild, da waren ein paar Antennen drauf mit einem großen Blitz, und
darunter stand Kurze Unterbrechung. Oder sie zeigten ein Filmchen: wie
kleine Katzen in einer Art Turm aus Bauklötzen spielen. Oder es
schwammen Fische durchs Bild. Das Medium erfand sich für ein paar
Minuten neu, sozusagen, nahm etwa die Gestalt eines Aquariums an, und
nur Menschen, die nicht nachdenken, werden sagen: Da haben die
Fernsehleute aber ganz schön viel Sendezeit verschenkt. In Wahrheit
haben sie ihrem Publikum etwas geschenkt, was kein Programmauftrag
vorsieht. Die Pausenfüller waren Inseln im Bildermeer, Brücken über
den Informationsfluss, und zum Schluss las Gerhard Klarner, ein
ziemlich dicker, ziemlich schnauzbärtiger Mann, die Spätnachrichten,
schraubte leise quietschend seinen Füller zu und brummte: "Gute
Nacht". Dann kam nichts, nur graues Rauschen; die große Sendepause
jener Zeit, als im Fernsehen zwischen Tag und Nacht noch unterschieden
wurde.
Wer an Gerhard Klarner denkt, dem wird gleich Antje einfallen. Das
Walross Antje, ziemlich dick, ziemlich schnauzbärtig, dabei war Antje
eine Walrossfrau. Soeben ist sie gestorben im Hamburger Tierpark
Hagenbeck, als Walrossgreisin von 27 Jahren. Altersschwäche. Von allen
Pausenfüllern war Antje der beliebteste. Lag am Rand des Bassins.
Prustete. Fiel ins Wasser. Prustete. Drehte den Kopf, schlug mit der
Flosse auf den Rand des Pools, prustete. Ehrlich gesagt, sie konnte
nicht viel, sie sah auch nicht besonders aus, sie hörte sich auch
nicht richtig gut an, eher wie ein nass niesender Seemann. Aber das
war den Leuten draußen egal, von 1978 an war sie das Gesicht des NDR -
ein knautschiger Berg als Gegenentwurf zu den nervösen Klamaukaffen
aus den Quizshows und den Werbetanten mit ihrem aufgeklebten Lächeln.
Nichts Dramatisches passierte, wenn Antje kam. Und dieses Nichts
wollten alle sehen.
Von Antje bleiben: Autoaufkleber, die vor allem im Norden auf den PKW
pappen, ziemlich verblichen schon, aber man kann den Walrosskopf noch
einigermaßen erkennen. Außerdem wird der NDR zwei Sondersendungen
bringen, zum endgültigen Abschied. Aus dem Fernsehen wurde sie ja
schon 2001 verbannt. Der Sender wollte ein neues Design damals, und
sowieso hat es keinen Platz für Antje mehr gegeben in einem Programm,
das so vorbeihetzt mittlerweile, atemlos, aber ohne jeden Pruster.