(SZ)Einst hatte der große norwegische Forscher Fritjof Nansen die
Idee, ein Schiff zu bauen, das er bewusst im Packeis einfrieren ließ,
die Fram. Da das Eis kontinuierlich nach Norden driftete, hoffte er,
auf diese Weise zwar langsam, aber unaufhaltsam direkt zum Nordpol zu
gelangen, doch die Fram wurde am Pol vorbeigetrieben. Mit der
Erzählung des Wie und Warum hat Nansen später zwei dicke Bände
gefüllt. Das Meer, ganz allgemein gesprochen, ist also voller
Strömungen und Driften, in denen es das Land umkreist, hier anbrandet,
dort verebbt, und das schon seit ewig. Vor einigen Jahren fand der
Biologe Mardik Leopold heraus, dass ein Paar Schuhe im Meer sich
trennt. Auf der holländischen Insel Texel landen eher die linken
Treter an, während die rechten mehr oder weniger schnurstracks Kurs
auf die Shetlands nehmen.
Donnerwetter, möchte man sagen, was die Wissenschaft nicht alles
rauskriegt - schwämme nicht jetzt ein Fall daher, der sowohl Nansens
fehldriftende Fram als auch Leopolds Texel-lastige linke und
Shetland-süchtige rechte Schuhe vergleichsweise kümmerlich aussehen
lässt. Vor elf Jahren fuhr ein Schiff, geladen mit Containern bis an
den Rand, von China nach Amerika. Ein Sturm brach los, und ein Teil
der Ladung ging im Gebraus über Bord, eine Ladung, die zweifellos
Sehnsucht nach ihrer wahren Bestimmung hatte, bestand sie doch aus
Wasserspielzeug, vor allem aus einem Megariesenpulk von Gummi-Enten.
Der Ozean, letztlich auch nicht mehr als ein großer Ententeich, nahm
sie mit auf die Reise. Sie schwammen zuerst in den hohen Norden und
prüften dort Nansens Idee mit dem Einfrieren nach. Für ein paar Jahre
saßen sie so in der Beringstraße fest. Im neuen Jahrtausend sichtete
man sie bei Island und dann in stillem Gedenken an der Stelle, an der
die Titanic sank. Danach wollten sie offenbar auch Mardik Leopold die
Ehre erweisen. Sie teilten sich, eine Gruppe zog es nach Europa,
während eine andere sich auf Captain Cooks Spuren nach Hawaii treiben
ließ. In den nächsten Tagen sollen nun die letzten, immer noch
tausende unermüdliche Schwimmer, an der amerikanischen Ostküste
stranden.
Alles, was das Meer an Abenteuern bieten kann, haben diese Enten
erlebt: Taifune, Hurricans und Orkane; die Sonne hat sie ausgebleicht,
Haie haben sie ausgespuckt, Albatrosse sie fallen gelassen, Delphine
mit ihnen gespielt, Fischer sie aus Netzen befreit. Experten wissen
jetzt ihretwegen fast alles über Meeresströmungen und Driften.
Umweltschützer beklagen am Entenbeispiel, wie lange Zeit über Bord
gegangene Ladung auf See herumirrt. Wir hingegen denken an Hemingways
Satz, dass ein Mann zerstört, aber nicht besiegt werden kann.
Gummi-Enten können zwar verloren, aber niemals untergehen.