(SZ)Zwei Bilder vom Glück. Mit dem einen begann die Woche, mit dem
  anderen hörte sie auf. Sieben Tage ist es nun her, dass Deutschland
  die Familie Hippius kennen lernte. Auf einem innigen,
  biedermeierlichen Gemälde ("Selbstbildnis mit Familie"), das der Maler
  Gustav Adolf Hippius im Jahre 1829 von sich und seinen Liebsten
  anfertigte - und das nun der Spiegel als Titelbild hernahm für eine
  luftige Trendgeschichte über "die neuen Werte", welche da angeblich
  sind: Ordnung, Höflichkeit, Disziplin, Familie. Nur eine Woche später
  kam dann das Gegenbild hierzu, und es stammte von der 15. Berliner
  Love Parade. Und es entführte uns nicht ins friedvolle, sondern wilde
  Glück. In die Welt der hämmernden Bässe, hüpfenden Brüste, zuckenden,
  schwitzenden Leiber. Es verkörperte also kraftvoll die derzeit wohl
  schon wieder alten Werte: Unordnung, Rausch und entfesselte Freude.

  Gern schaut man sie an, die beiden Bilder vom Glück. Doch schon nach
  einer kurzen Weile werden sie einem verdächtig. Sieht die liebe,
  scheinbar mit sich selber und mit der Welt zufriedene Malerfamilie
  nicht aus, als nagte doch ganz sachte ein Gram an ihr? Eine
  melancholische Ahnung, dass ihr stilles Glück möglicherweise nicht das
  ganze Glück sein könnte? Und sehen unsere dionysischen Schwärmer aus
  Berlin nicht ziemlich verbissen aus, zur Ekstase mit allem Grimm
  entschlossen? Wie auch immer: Das Streben nach dem Glück, das zeigen
  beide Bilder, gehört zu den schwersten Schwerarbeiten des Menschen.
  Aber warum nur, warum? Steigen wir, um eine Antwort zu finden, hinab
  in die Vergangenheit, hinauf zu den Klassikern. Und treffen wir dort
  den berühmtesten aller Glückssucher, den Deutschen schlechthin, den
  Zweiseelenmann, den Doktor Faust. Den es hinausdrängt aus der engen
  Stube in die tolle Welt, und das heißt natürlich vor allem: zum Weibe.
  Der sich seine Frauen nicht mit dem Handy beim Zuhälter bestellt,
  sondern gleich beim Teufel selber. Der die Love Parade besucht (die
  damals noch Walpurgisnacht hieß), aber auch Gretchens reinliche
  Kammer. Und der, auf ewig zerrissen, niemals wird herausfinden können,
  wo es denn wohnt, das Glück: im Bürgerhaus, im ruhigen Winkel, oder
  doch in den undurchdringlichen Dschungeln der Lust?

  Zurück jetzt, zu einem dritten Bild der Woche! Der Moderator Michel
  Friedman sprach schmalzig und tränennah von seiner "tiefen" Liebe zur
  geliebten Frau. Von seinen eher untiefen Neigungen sprach er nicht. So
  verkörperte auch dieser wackere Mann die unheilbare Unruhe des
  Menschen, des männlichen Menschen vor allem. Der wird rastlos
  weiterwandern, vom Biedermeier nach Sodom und retour. Von der Mama zur
  Hure und wieder zurück. Und das Glück wird immer dort sein, wo er
  nicht ist. Keine Erlösung, der Krampf geht weiter.